Full text: Das Saarrevier zwischen Reichsgründung und Kriegsende

mentieren, erweist sich als problematisch, denn diese Bereiche sind quellenmäßig nur 
sehr lückenhaft erfaßt. Immerhin aber reichen die verfügbaren Daten aus, um sich 
wenigstens ein ungefähres Bild zu machen.69 
Die Hoffnungen auf eine Erweiterung des Absatzgebietes nach Elsaß-Lothringen 
scheinen sich nicht erfüllt zu haben. Die boomende Großindustrie und die mit ihr 
wachsende Bevölkerung boten jedoch ein weites Betätigungsfeld. Die im Handelsregi¬ 
ster eingetragenen Einzelfirmen nahmen zw. 1870/71 und 1873/74 von 591 auf 738 
um 25 %, die Personengesellschaften um 11 % von 119 auf 132 zu, eine Tendenz, die 
sich auch für die folgenden Jahre bestätigt; in jener Zeit ein gleichmäßiges Wachstum 
bis auf 918 bzw. 145 Unternehmungen im Jahr 1877/78 und damit nur wenig 
langsamer als in der Periode bis 1873/74. 
Demgegenüber zeichnen die Handelskammer-Berichte schon seit 1873/74 ein relativ 
düsteres Bild, bedingt durch sinkende Nachfrage und Preise sowie eine mangelhafte 
Zahlungsmoral. Der Kolonialwarenhandel soll sich schon 1874 auf das Allernotwen¬ 
digste beschränkt haben, und auch die Tabakindustrie sowie der Manufakturwaren¬ 
handel litten unter der stockenden Nachfrage, um nur zwei Bereiche herauszugrei¬ 
fen. 
Als Indizien für die gedrückte Konjunktur werden u. a. die zunehmenden Zwangsver¬ 
steigerungen sowie der Import amerikanischen Schweinefleisches angeführt; letzteres 
billiger als einheimische Erzeugnisse und allein deshalb noch für die von Lohnsenkun¬ 
gen betroffenen Arbeiter erschwinglich. Dabei wurde der Kredit von Kaufleuten und 
Krämern arg strapaziert. Kleinere Betriebe fallierten, weil sie sich nicht in der Lage 
sahen, ihre Forderungen zu realisieren. 
Kritisch erscheint die Lage vor allem im Jahr 1878/79, als sich Liquidationen und 
Neueintragungen in etwa die Waage hielten.70 
In ihrem 1879er Bericht bedauerte die Handelskammer, daß die „Wechselbeziehun¬ 
gen“ zwischen Großindustrie, Kleingewerbe und Handel noch nicht durchgeschlagen 
seien und „die eingetretenen Besserungen bei der Großindustrie noch nicht ausreich¬ 
ten, die schweren Schädigungen der Vergangenheit auszugleichen“. 
Der Überblick soll nicht enden, ohne das Kreditwesen gestreift zu haben, und zwar 
wegen seiner Funktion als Gradmesser für die gesamtwirtschaftliche Lage. 
Zur Beförderung des Zahlungsverkehrs hatte die Preußische Bank 1859 in Saarbrük- 
ken bei der Bergwerksdirektion eine Agentur eröffnet, die entsprechend ihrer Zielset¬ 
zung vornehmlich das Wechselgeschäft pflegte. Nach dem Krieg verzeichnete die Bank 
eine starke Intensivierung der Geschäftstätigkeit. Die Zahl der Inkassowechsel ver¬ 
doppelte sich bis 1873 ebenso wie das Volumen auf 8 490 Stück bzw. 10,2 Mio. 
69 Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die JHK der entsprechenden Jahre. 
70 Bei den Einzelfirmen standen 29 Eintragungen 35 Löschungen gegenüber. 
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