Trotz dieser Investitionen, trotz höherer Gestehungskosten - erinnert sei an die
explodierenden Kohlenpreise - und trotz beachtlicher Lohnerhöhungen - bei der
Burbacher Hütte im Vergleich der Jahre 1869 und 1873 ein Plus von 39,2 % -
gestaltete sich die Ertragslage besser als nur befriedigend. Burbach verdiente bspw.
1872/73 mehr als die Hälfte des Grundkapitals und schüttete seinen Aktionären
25 % Dividende aus. Dillingen erwirtschaftete schon 1868/69 einen Reingewinn von
20 % des Aktienkapitals.41
Diese Ergebnisse beruhten auf Preissteigerungen, die während dieser Jahre scheinbar
mühelos durchsetzbar waren. Auch dazu ein Beispiel: Die Burbacher Hütte erlöste
1870 für 1 Tonne Roheisen 60 Mark, 1873 aber 170 Mark; Eisenträger kosteten je
Tonne 200 bzw. 360 Mark.42
Nur natürlich, daß solcherart Ergebnisse auch zu Neugründungen reizten. Den
Anfang machte 1871 die von belgischem Kapital kontrollierte Burbacher Hütte. Sie
errichtete in einem Joint Venture mit der Luxemburger Metz-Gruppe ein Werk in
Esch auf der Minette, ein zukunftsweisender Schritt, wie sich bald heraussteilen
sollte.43
Zwei Jahre später, auf dem Höhepunkt des Booms, brachten erfahrene Eisenhütten¬
leute an der Saar die Zeichnung von 500 000 Taler Aktienkapital zusammen und
gründeten die „Völklinger Eisenhütten AG für Eisenindustrie“.44 Hätten sie geahnt,
wie sich die Situation nur wenige Monate später darstellte, hätten sie ihr Geld wohl
anders angelegt, denn schon im Herbst nahm der Auftragseingang dramatisch ab, und
ein Preisverfall größeren Ausmaßes setzte ein.
Eine Verkettung widriger Umstände hatte zu dem Einbruch geführt, von dem die Saar
wiederum besonders betroffen war. Weshalb? Nun, zunächst beschleunigte der
Börsenkrach vom Mai 1873 die wegen der vorangegangenen Übertreibungen ohnehin
fällige zyklische Korrektur, indem er die Industrie zu vorsichtigeren Dispositionen
veranlaßte. Überdies verschärfte die Aufhebung der Roheisenzölle und die Senkung
der Zölle auf sonstige Eisenwaren den Angebotsdruck noch durch vermehrte
Auslandsimporte, v. a. aus England.45
Spezifisch für die Saar erschwerend wirkten zwei weitere Ereignisse. Einerseits war zu
Anfang des Jahres 1873 die Regelung ausgelaufen, die es den lothringischen Hütten
ermöglicht hatte, für eine Übergangsfrist zum halben Zolltarif nach Frankreich, ihrem
angestammten Markt, zu exportieren. Da Frankreich eine Schutzzollpolitik verfolgte,
41 H. Müller, Übererzeugung, S, 96, 117, 124 und 134 f.; Burbach, S. 51 f.; H. von Ham,
Dillingen, S. 169.
42 H. Müller, Übererzeugung, S. 134 f.
43 Burbach, S. 42 ff.
44 R. Nutzinger u. a., 50 Jahre Röchling Völklingen, Saarbrücken/Völklingen 1931, S. 5 f.
und 13 f.; A. Tille, Das Haus Röchling und seine Unternehmungen, Saarbrücken 1907,
S. 192 f.
45 JHK 1873. Seit 1875/76 übertraf die deutsche Roheisenerzeugung den -verbrauch; A. Spiet-
hoff, Wechsellagen, Tafel 14. F. W. Henning, Industrialisierung, S. 214; F. Kloevekorn,
Haiberg, S. 61; H. Mottek, Gründerkrise, S. 62 ff.; zusätzlich sah sich die Ruhrindustrie
gezwungen, sich verstärkt nach Süddeutschland zu orientieren.
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