Dabei verfolgte der Fiskus die bekannte Preisstrategie, jetzt unter umgekehrten
Vorzeichen mit dem Ziel der Verteidigung des angestammten Kundenkreises. Der
Nachfragerückgang im Inland wurde wie erwähnt durch eine Forcierung des Exports
kompensiert, die freilich auch hier alleine über den Preis ging.26
Spielraum war ja aufgrund der üppigen Gewinnspanne durchaus vorhanden. Trotz
sinkender Erlöse stiegen die Löhne 1874 nochmals leicht an, und der Beschäftigtenzu-
wachs setzte sich gar bis 1876 fort. Dennoch erreichte der Reingewinn selbst 1877
noch fast den Wert von 1869, und auf der Ertragssohle 1878 betrug er noch über
5 Mio. Mark. Das waren zwar weniger als ein Siebtel des Rekordjahres, die Summe
entsprach aber einer Umsatzrendite von 15 %, ein beachtlicher Wert; dies übrigens
bei weiterhin hohen Investitionen, die ausschließlich aus den Erlösen finanziert
wurden.27
Es gelang dies über eine allmähliche Entlastung der Ausgabenseite um etwa 20 %,
und zwar durch folgende Maßnahmen:
-Reduzierung der Belegschaft von 1876 bis 1879 um 8,2% (an der Ruhr
-11,7%),
- Lohnsenkungen von rund 14 % (an der Ruhr -37 %),
- Einsparungen bei den Betriebsmaterialien und
- eine vornehmlich rationalisierungsbedingt leicht steigende Schichtleistung, bezogen
auf die Belegschaft unter Tage um 13,8 % (an der Ruhr + 26 %); sie bewegte sich
dennoch um circa 10 % unter dem Reichsdurchschnitt;
alles in allem also vornehmlich über eine Senkung der Lohnkosten.28
Ziehen wir Bilanz, so bleibt unter dem Strich ein Ergebnis, das es nicht rechtfertigt,
von einer auf den Boom folgenden Depression zu sprechen. Allenfalls kam es zu einer
heftigen Preiskrise, die aber nicht so dramatisch war, daß sie das Staatsunternehmen
in die roten Zahlen getrieben hätte. Dagegen konnte die Förderung sogar leicht
gesteigert werden. Zu Massenentlassungen kam es deshalb nicht; vielmehr standen
1879 noch fast 15 % mehr Beschäftigte im Dienst der Bergverwaltung als 1869, dem
letzten Normaljahr vor dem Krieg, und was die Löhne angeht, blieb dem Arbeiter für
den gleichen Zeitraum noch ein Mehr von circa 13 %; insgesamt gesehen also eher ein
sanfter Übergang aus der Hektik der Hochkonjunktur zu normalen Verhältnissen.
Schließlich sollte die im ehemals bayerischen Teil des heutigen Saarlandes ansässige
private Frankenholzer Bergwerksgesellschaft Erwähnung finden, die aufgrund der
guten wirtschaftlichen Perspektiven seit Beginn der 70er Jahre die Aufschließung der
26 Dazu ausführlich E. Klein, 70er Jahre, S. 758 ff.; K. Fuchs, Bemühungen, S. 114 ff.; JHK
1875 und 1876.
27 JHK 1874 ff.; E. Klein, 70er Jahre, S. 762; G. Linden, Steinkohlenbergbau, S. XVII;
E. Müller, Arbeiterverhältnisse, S. 153 f. Nach E. Klein bewegten sich die Investitionen um
1,5 Mio. Mark p. a.
28 H. Mottek, Gründerkrise, S. 100; E. Müller, Arbeiterverhältnisse, S. 154; C. L. Holtfre-
rich, Ruhrkohienbergbau, S. 52, 55 und 67 f. Innovationen, wie die Verbreitung der
zeitsparenden Seilfahrt, die eiserne Streckenzimmerung, die leistungsfähige Kettenförderung
im Stollen und ein intensiver Maschineneinsatz setzten Arbeitskräfte und -zeit für die
Gewinnung der Kohle vor Ort frei, wo bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Produktivitätsfort¬
schritte zu erzielen waren.
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