Der Absatz im Reich sank zwischen 1873 und 1878 von 3,44 Mio. Tonnen auf
3,02 Mio. Tonnen um 12,2 %. Dagegen schnellte der Export um 87 % in die Höhe,
von 617 000 Tonnen auf 1,16 Mio. Tonnen. Sein Segment am Gesamtergebnis
kletterte damit von 15,3 % auf 27,8 %. Verantwortlich dafür zeichneten die Norma¬
lisierung des Handels mit Frankreich und eine kontinuierliche Ausdehnung auf dem
Schweizer Markt, wo 1878 immerhin 9,1 % der Saarkohlen abgesetzt wurden.16
Verschiebungen waren auch auf dem Binnenmarkt zu registrieren; besonders fühlbar
in Lothringen wegen der starken Konkurrenz von der Ruhr und aus Belgien sowie der
besonderen Situation der Eisenindustrie, von der unten zu sprechen sein wird: hier, in
der einstigen Domäne, zwischen 1872 mit 1,15 Mio. Tonnen und 1878 mit noch
870 000 Tonnen ein regelrechter Absatzeinbruch von 25 %. Der Verkauf in Preußen
ging im gleichen Zeitraum um 11,4 % von 1,23 Mio. Tonnen auf 1,09 Mio. Tonnen
zurück, während Süddeutschland mit konstant hohen Zahlen in der Größenordnung
Preußens als Markt behauptet werden konnte und zur Stütze des Inlandsabsatzes
avancierte. Dieses Ergebnis lag um fast 40 % über dem Niveau von 1869, und für
Preußen verblieb trotz des Rückganges immer noch ein Plus von rund 15 %.17
Gehen wir von der rein mengenmäßigen Betrachtung ab und wenden uns anderen
Indikatoren wie Preisen, Löhnen, Umsatz und Gewinn zu, wird der Konjunkturum¬
schwung noch deutlicher.
Übertrifft die Nachfrage das Angebot, steigen bekanntlich die Preise; und der Bedarf
übertraf nach Kriegsende alle Erwartungen bei weitem, ohne daß die Förderung im
gleichen Umfang hätte angehoben werden können. So beklagte die Handelskammer
im Boomjahr 1872 „die für eines der reichsten Kohlengebiete des Königreichs Preußen
absurde Tatsache des Kohlenmangels“.18 Entsprechend verhielten sich die Preise. Sie
erhöhten sich zwischen August 1870 und dem Preisgipfel im Dezember 1873 um
durchschnittlich mehr als 100 %. Bezogen auf die mittleren Jahrespreise errechnet
sich für die gleiche Periode ein Plus von 113 %.19 Dabei bleibt zu beachten, daß die
Nachfrage vor dem Kulminationspunkt 1873 wesentlich von der Spekulation auf
weitere Preiserhöhungen getragen worden zu sein scheint, als viele Indikatoren schon
auf einen Abschwung der Konjunktur hindeuteten. „Namentlich entferntere Märkte
versahen sich aus Besorgnis noch weiter gehender Preissteigerungen mit Vorräten“,
und im Herbst 1873 war es gelungen, „bindende Verträge zu hohen Preisen für
längere Zeit abzuschließen“.20
16 G. Linden, Steinkohlenbergbau, S. IX und S. XIV; B. Jordan, Absatzverhältnisse, S. 564,
572; K. Fuchs, Bemühungen, S. 113 f.
Verkauf nach: 1872 1879
Frankreich 396 7501 9,9 % 755 140 t 17,4%
der Schweiz 178 4501 4,4 % 349 601 t 8,2 %
17 B. Jordan, Absatzverhältnisse, S. 573. Im Vergleich zwischen 1868 und 1872 hatte sich der
Absatz in Preußen von 827 068 t auf 1,23 Mio. t um 48 % erhöht und für Süddeutschland
von 738 615 t auf 1,02 Mio. t um 37,8 %.
18 B. Jordan, Absatzverhältnisse, S. 553 ff.; Jahresbericht der Handelskammer (im folgenden
JHK) 1871 und 1872, S. 12.
19 E. Klein, 70er Jahre, S. 755, geht auf die Entwicklung ausführlich ein. Die Preissteigerungen
beliefen sich für Stückkohlen plus 113 %, für Förderkohlen plus 118 % und für Grieskohlen
auf plus 92 %. Die Durchschnittspreise sind den JHK entnommen. Sie erhöhten sich von
8,84 Mark je t auf 18,79 Mark je t. Vgl. dazu auch B. Jordan, Absatzverhältnisse, S. 574.
20 E. Klein, 70er Jahre, S. 756; JHK 1873; B. Jordan, Absatzverhältnisse, S. 567.
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