Geschichte sich ergebenden Fakten, um mit guten Gründen mit der Wende der
1860er/1870er Jahre einen neuen Abschnitt der saarländischen Geschichte beginnen
zu lassen.
Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zur räumlichen Abgrenzung des Themas.
Der Begriff „Saarrevier“, der im 19. Jh. wiederholt begegnet,7 ist noch nicht mit
administrativen Grenzen zu präzisieren. Er gilt für die Industriestandorte und die
zugehörigen Arbeiterwohngebiete.8 Preußen hatte im Jahre 1816 seine neu erworbe¬
nen Gebiete an der Saar und deren unmittelbares Hinterland in den fünf Kreisen
Saarbrücken, Ottweiler, Saarlouis, Merzig und Saarburg organisiert. Sie zusammen
bildeten keine eigene Verwaltung der mittleren Ebene, sondern gehörten mit anderen
Kreisen zum Regierungsbezirk Trier in der Rheinprovinz.9 Im Jahre 1834 war das
bisherige sachsen-coburgische Fürstentum Lichtenberg als preußischer Kreis St. Wen¬
del ebenfalls dem Regierungsbezirk Trier eingefügt worden.10 Nach Abschluß des
eingangs geschilderten Konzentrationsprozesses in der Montanindustrie häuften sich
die Industriestandorte in den Kreisen Saarbrücken und Ottweiler. Hier lagen die
meisten Steinkohlenbergwerke, einige auch im südöstlichen Teil des Kreises Saarlouis
um Ensdorf, Griesborn und Schwalbach. Die Eisenhütten verteilten sich auf dieselben
Kreise: Neunkirchen im Kreis Ottweiler, Haiberg, Burbach, Geislautern, später dann
noch Völklingen im Kreis Saarbrücken, Dillingen im Kreis Saarlouis. In den Kreisen
Saarbrücken und Ottweiler und im südöstlichen Teil des Kreises Saarlouis lagen auch
die Kokereien und Kalkwerke, die Betriebe der Metallverarbeitung und des Maschi¬
nenbaues, ebenso die Glashütten. Lediglich die Keramikindustrie zeigte eine andere
Verteilung mit Werken in Wallerfangen, Merzig und Mettlach, kleinere Unterneh¬
men11 verschwanden im Laufe unseres Untersuchungszeitraumes.
Mitten durch das Industrierevier verlief die preußisch-bayerische Grenze. Sie war
zwar seit dem Beitritt Bayerns zum Zollverein (1833) keine Zollgrenze mehr, aber
auch nachdem die beiden Königreiche Preußen und Bayern Teile des neuen föderativ
strukturierten Deutschen Reiches geworden waren, blieb doch eine Reihe von
Unterschieden und Abgrenzungen bestehen. Gerade die bayerischen Reservatrechte -
eigene Eisenbahnen, eigene Post- und Telegraphenverwaltung, eigenes Heer, selbstän¬
dige Besteuerung von Bier und Branntwein - ließen im wilhelminischen Reich die
bayerische Grenze stärker spürbar werden als die jedes anderen Bundeslandes.
7 Z. B. Reichsland Elsaß-Lothringen, „ein großer Teil (des Nutzholzes) wurde nach der Pfalz,
dem Saarrevier, Baden (usw.) abgesetzt“ oder die Bezeichnung „Deutsche Gewerkvereine,
Sekretariat für das Saarrevier“. Adreßbuch Saarbrücken 1911, S. 42.
8 Zur Lage der Arbeiterwohngebiete vgl. Horch S. 31-34 (wie Anm. 135) und Saaratlas (wie
Anm. 42) insbesondere S. 98 f. und Tafel 35.
9 Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, Reihe A: Preußen, hrsg. von
Walther Hubatsch, Band 7: Rheinland, bearbeitet von Rüdiger Schütz, Marburg 1978
S. 422 f.
10 Klein, Hanns, Der Landkreis St. Wendel von 1835-1985, in: St Wendeier Heimatbuch 20,
1983/84, S. 254-290, vgl. auch die Quellenhinweise von demselben Autor, ebenda 21,
1985/86, S.182-203.
11 Büch, Carl, Alte Wirtschaftsbetriebe im Gersweiler Raum. Epoche einer aufblühenden
Wirtschaft im 18. und 19. Jahrhundert, Saarbrücken 1968.
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