von Peter Marx’ Historismus zu demonstrieren. Ein ähnlich ergiebiges Objekt ist seine
Trierer St. Martinskirche. - Marx muß also einige Literatur über historische Kirchen
und deren Details besessen oder gekannt haben. Er besaß selbst das zehnbändige
Dictionnaire Raisonné . . . von Viollet-le-Duc und viele andere Werke der Kunstge¬
schichte, wie jüngst gezeigt werden konnte.45 Das Standardwerk über die kirchliche
Baukunst des Abendlandes von Georg Dehio und Gustav von Bezold (1887) war und
ist in der Trierer Stadtbibliothek vorhanden.
Kirche und Missionshaus in St. Wendel sind im Hinblick auf ihre architektonische
Bedeutung bisher noch nie gewürdigt worden, obwohl sie so beherrschend in der
Landschaft liegen und zur Betrachtung geradezu herausfordern. Der Plan stammt von
dem Ordensmitglied der Steyler Missionare Pater Fraebel (S. V. D.). 1910 wurde der
Bauplan genehmigt, 1911 war die Kirche schon vollendet. Eine eigene Ziegelei
besorgte das Baumaterial. Ein Großteil der Arbeiten wurde im eigenen Anpacken
bewältigt.46 - Kirche und Missionshaus bilden eine architektonische Einheit: die
Kirche durchdringt mit ihrer basilikalen Fassade (Abb. 13) und dem Schiff die Mitte
der Fassade des Klosters, das sich nach hinten zu in V-förmig angeordneten Flügeln
verbreitert. Ein mächtiger quadratischer Vierungsturm bekrönt die ganze Anlage. Die
Apsis besitzt einen Umgang mit radialen Kapellen. Romanische Vorbilder sind für die
Konzeption der Kirche im Innern und Äußeren ausgewertet. Für das große Triumph¬
kreuz im Chor stand das damals allgemein so hochgeschätzte Kreuz aus Wechselburg
samt der das Blut Christi auffangenden Adamsfigur Pate.
Die St. Mauritius-Pfarrkirche in Fremersdorf (1911-12) ist einer der letzten Bauten
Wilhelm Hectors: eine dreischiffige neoromanische Basilika mit Querschiff und
seitwärts stehendem Turm, in rustikalen Quadern aus Rotsandstein errichtet. Hector
konnte hier (nach Püttlingen) etwas aufwendiger als sonst bauen, und auch die
Bauzier durfte üppiger ausfallen. Das zeigt sich an der Zwerggalerie der Apsis, am
Portalschmuck der Westfassade wie auch im Inneren - bis hin zur Gestaltung der
Fußböden in kunstvoller Keramik und der Ausmalung, die 1987 freigelegt und
restauriert werden konnte.47
In einem Schlußkapitel sollen nun noch einige Bauten der späten historistischen Stile,
der Neo-Renaissance und des Neo-Barock, die sich zum Teil mit dem Jugendstil
mischen, vorgestellt werden. Während die Renaissance in ihrer kunsthistorischen
Wertung eigentlich nie ernstlich in Frage gestellt war, galt der Barock fast einhundert
Jahre nach seinem Ausklingen immer noch als verabscheuenswert. Erst langsam brach
sich eine neue Wertung Bahn. Aus dem Blickwinkel der romantischen und mittelalter¬
lich orientierten christlichen Kunst des 19. Jahrhunderts galten beide jedoch als nicht
nachahmenswert.
45 Kostka (wie Anm. 39), S. 6 und Anm. 12.
46 P. H. Wesche, Das Missionshaus St. Wendel. Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum.
1898-1923. - 50 Jahre Missionshaus St. Wendel. 1948. - P. A. Selzer, St. Wendelin, Leben
und Verehrung ... 2. Aufl. Mödling 1962, S. 188 f., Abb. 18 f. — 75 Jahre Missionshaus
St. Wendel. 100 Jahre Steyler Missionsgesellschaft. St. Wendel 1975, S. 82-86.
47 Handbuch (wie Anm. 3), S. 570. - Ronig (wie Anm. 30), S. 252. - Busse (wie Anm. 19),
S. 142, 150. - Dehio, S. 291. - Zur Restaurierung: H. B. Busse, Fremersdorf, in: Jahresbe¬
richte (wie Anm. 35), S. 499.
111