vorspringendem Mittelteil, drei Portalen und reicher Gliederung gestaltet. Das drei-
schiffige basilikale Langhaus endet mit einer Dreiapsidenanlage (Kleeblattchor), die
von einem oktogonalen Vierungsturm gekrönt ist. Die Außenhaut der Kirche besteht
aus rotem Sandstein. Wie kaum sonst an einer historistischen Kirche kann man hier
die historischen Vorbilder bis ins Detail studieren; das kunsthistorisch aufgearbeitete
Repertoire der deutschen und französischen Romanik stand dem Architekten zur
Verfügung. Hier wird spürbar, wie die Publikationen aus dem Bereich der Architek¬
tur- und Kunstgeschichte bis in die Ateliers der Architekten vorgedrungen waren und
dort in neue Architektur und neuen Schmuck umgesetzt wurden.42 Außerdem scheint
Marx in seinen frühen Jahren Kunstreisen gemacht zu haben.43 Nur einige Kostpro¬
ben von Vergleichen seien hier gegeben. Die Türme setzen in einigen Details die
Westfassade der Kathedrale von Laon voraus, wobei die in Säulchen aufgelösten
Ecken dem Architekten auch aus Bamberg oder Naumburg bekannt gewesen sein
können. Die dreiseitige Eingangshalle erinnert an den Lettner von Gelnhausen. Das
Hauptrelief des Marienportals kopiert das entsprechende Relief auf der Nordseite der
Kathedrale von Reims: das Tympanon mit der thronenden Muttergottes und dem
Christusknaben (wohl von einem ehemaligen Bogengrab). Wenn Marx nicht eine
entsprechende Skizze an Ort und Stelle gemacht hat, dann kann er die Kenntnis (was
eher anzunehmen ist) aus einer Publikation wie den Bildmappen des Musée des
Sculptures Comparées (Trocadéro) in Paris erlangt haben, die von 1883 bis 1890
erschienen und in Trier vorhanden waren und noch sind (Stadtbibliothek). Dasselbe
Portal bietet im Türsturz zwei szenische Reliefs aus La Charité-sur-Loire: die
Dreikönigsanbetung und die Darstellung Jesu im Tempel. Die Rosetten im Türsturz
des Josefsportal gehen auf die Rosetten im Türsturz des Portals von Moissac zurück;
das ganze Portal von Moissac befindet sich ebenfalls im Trocadéro. Selbst solche
Details wie die mit Mäandern geschmückten Pilaster sind aus La Charité übernom¬
men. Die großen Querhausapsiden mit ihren flachgedeckten Zwerggalerien, die, sich
verkröpfend, den Strebepfeilerquerschnitt nach oben fortsetzen, waren dem Künstler
durch die romanische Apsis der Trierer Simeonskirche (Porta Nigra) bekannt. Die
Scheitelkapelle am Chorumgang übernimmt in Gestalt und Dekor die entsprechende
Kapelle an der auvergnatischen Kirche in Issoire.44 Die formale Verbindung der
Konchen im Innern der Kirche ist aus St. Maria im Kapitol zu Köln übernommen.
Diese kleine Liste von Motivübernahmen möge genügen, um die eklektische Methode
42 Ronig (wie Anm. 30), S. 263.
43 Kostka, Marx (wie Anm. 39), S. 7.
44 G. Dehio und G. von Bezold, Die kirchliche Baukunst des Abendlandes, historisch und
systematisch dargestellt. Stuttgart 1892, III, Taf. 254,1. - Man vergleiche außerdem noch bei
Dehio/Bezold: III, Taf. 264,3: Nevers, St. Etienne, Vierungsturm; HI, Taf. 280,2: Bamberg,
Dom, Turm mit Eckbaldachinen; III, Taf. 189,1: Semur, Kirche, Rosetten; III, Taf. 315,7:
Apt, Mäander; III, Taf. 320,8: Clermont-Ferrand, Notre-Dame, Giebel mit Ornamentik; IV,
Taf. 408: Laon, Kathedrale, Westfassade, Türme mit Eckbaldachinen. - Weitere Vorlagen
zu Dillingen finden sich in: Le Musée de Sculpture Comparée du Palais du Trocadéro.
Moulages et Sculptures. 4 Bde. Tafeln. Paris (1883? 1890?), I, Taf. 238: Reims, Kathedrale,
Nordquerschiffsfassade, Tympanon mit Maria. - C. Heideloff, Ornamentik des Mittelal¬
ters. 200 Kupfertafeln mit erklärendem Text. Nürnberg (1838-1846 in einzelnen Lieferun¬
gen), Taf. XII,la: Kapitell in Faurndau (Einzelmotive verwendet); im übrigen scheint Marx
das Werk von Heideloff weniger verwendet zu haben.
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