Bahnbauten der folgenden Jahrzehnte dienten vornehmlich drei Zwecken: dem
Massengüterverkehr zwischen der Saar und Lothringen, dem Personenverkehr zwi¬
schen Wohnort und Arbeitsplatz und militärischen Zwecken. Konrad Fuchs geht in
einem eigenen Beitrag dieses Sammelbandes darauf näher ein.3
Ein für die damalige Zeit ausreichender Wasserstraßenanschluß war 1866 eröffnet
worden. Bis zur Grenze bei Saargemünd war die Saar für Lastschiffe bis 350 t
ausgebaut, und durch den auf eigener Trasse angelegten Saar-Kohlen-Kanal im
Gunderchinger Weiher (Etang de Gondrexange) der Anschluß an den Rhein-Mar-
ne-Kanal vollzogen worden. Von dort gelangten die Schiffe in östlichem Kurs über
Zabern nach Straßburg.4 Ein Anschluß über den Rhein an das deutsche Wasserstra¬
ßennetz ergab sich erst 1892, vorher war der Rhein nur bis Ludwigshafen schiffbar.5
Im Westen fanden sie Anschluß an das französische Wasserstraßennetz.
Die Veränderung der Verkehrsstruktur durch Eisenbahnbau und Saarkanalisierung
hatte die Konzentrierung der Saarindustrie auf die mittlere Saar und ihre Nebentäler
maßgeblich bestimmt. Neue Schächte der Steinkohlenbergwerke waren in Eisenbahn¬
nähe abgeteuft, die Flächen zur Anlage neuer Glashütten und anderer Industriebetrie¬
be so ausgewählt worden, daß mit wenigen Kilometer Industriegleis der Anschluß an
das öffentliche Bahnnetz zu bewerkstelligen war.
Im Bereich der Eisenindustrie hatten die Erschöpfung einheimischer Erzlager und die
Ersetzung der Holzkohle als Reduktionsstoff im Hochofenprozeß durch Steinkohlen¬
koks die Standortverschiebung und Konzentration bestimmt. Die älteren kleinen
Werke im Hochwald und in den Seitentälern der Saar (Scheidterbach, Sulzbach,
Fischbach, Rossel) waren schon eingegangen oder wurden bald stillgelegt, als letztes
die Hütte in Geislautern (1884). Um 1870 war die Frage der ausreichenden
Erzversorgung der Saarhütten noch offen, ein Teil wurde aus der Lahngegend, ein
anderer Teil aus Lothringen gedeckt. Erst die Einführung des Thomas-Verfahrens
erlaubte seit Anfang der 1880er Jahre die Verhüttung der lothringischen und
luxemburgischen Minette in großem Maße. Diese hüttentechnische Innovation eröff-
nete den voluminösen Austausch saarländischer Steinkohle gegen lothringisches Erz,
wie er fast ein Jahrhundert lang die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden
Revieren charakterisierte. Er vollzog sich um so leichter als, wie bereits gesagt, mit
dem Frankfurter Frieden die Grenze zwischen dem Saarrevier und Lothringen gefallen
war.6
Die Verbesserung der Grenzlage zur Binnenlage, die Anbindung an das deutsche und
französische Verkehrsnetz und die Konzentrierung der Montanindustrie auf die
mittlere Saar und ihre rechten Nebenflüsse halte ich für die aus der saarländischen
3 Vgl. S. 133-147.
4 Böcking, Werner, Schiffe auf der Saar. Geschichte der Saarschiffahrt von der Römerzeit bis
zur Gegenwart, Saarbrücken 1984.
5 Reichsland Elsaß-Lothringen. Bd. 1, Straßburg 1898, S. 162.
6 Poidevin, Raymond, Les relations économiques et financières entra la France et l’Allemagne
1898-1914, Paris 1969. Thomes, Paul, Wirtschaftliche Verflechtungen einer Grenzregion:
die Industrielandschaft Saar-Lor-Lux im 19. Jh., in: Jb. f. westdtLandesgesch. 14, 1988
S. 181-198.
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