2.5.2 Mitglieder und Vorstände der Ortsgruppen
Ein differenziertes Bild der Mitgliederstruktur zu zeichnen, ist trotz der überaus
umfangreichen Quellenlage111’ fast nicht möglich. Die überlieferten Vereinsakten
lassen bestenfalls quantitative Aussagen zu, und selbst diese sind nur unter Vorbehalt
gültig. In den Berichten über die Tätigkeit der Ortsgruppen im Verbandsorgan „Saar-
Freund“ verschwindet das einfache Mitglied meist hinter der Vorstandsriege, so daß
eine systematische Untersuchung der Saarländervereinigungen in qualitativer Hin¬
sicht weitgehend ausscheidet1114. Nichtsdestotrotz lassen sich die einzelnen Mosaik-
steinchen zu einem Gesamtbild zusammenfügen.
Gebürtige Saarländer bildeten den in der Frühphase den Kern der Saarvereine. Sei es
aufgrund verschiedener Ausweisungswellen oder sei es freiwillig aus wirtschaftli¬
chen Überlegungen - Tausende saarländischer Industriearbeiter hatten ihren Wohn¬
sitz von der Saar an den Rhein bzw. die Ruhr verlegt und es versteht sich von selbst,
daß gerade sie einen emotionaleren Bezug zur Saar hatten als Mitglieder, die das
Revier lediglich aus Erzählungen oder gelegentlichen Besuchen kannten. Bis 1933
scheinen Nichtsaarländer in den Ortsgruppen die Minderheit gebildet zu haben; der
massenhafte Zulauf nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ läßt darauf
schließen, daß gerade in kleineren Ortschaften die Mitgliedschaft in einem Saarverein
als Möglichkeit gewertet wurde, konformes Verhalten zu demonstrieren.
Die Ortsgruppen des Bundes hatten mit dem gleichen Problem zu kämpfen wie die
meisten Vereinigungen, die sich nach außen als stände-, partei- und konfessionsüber-
greifende Keimzellen der allseits herbeigesehnten „Volksgemeinschaft“ profilieren
wollten: Innerhalb der bürgerlich geprägten Vereine spiegelte sich schließlich doch
die Sozialstruktur der Gemeinde wider, und bestehende Hierarchien wurden bekräf¬
tigt. Funktionäre stammten meist aus den sozialen Schichten, die im öffentlichen
Leben Ansehen genossen, was auf der einen Seite zwar das Prestige der Gruppe
steigerte, andererseits aber unterbürgerliche Schichten zu verprellen drohte. Für den
Erfolg der Vereinsarbeit war es aber entscheidend, daß sich die Führung nicht von
der Masse der Mitglieder elitär abgrenzte und sozial distanzierte. Unter 570 näher
beschriebenen Ortsgruppenvorständen"1'' waren das Kleinbürgertum (183) und
Akademiker (167) eindeutig überrepräsentiert; unter ihnen bildeten Lehrer wiederum
103 Allein im Berliner Bundesarchiv lagern hierzu 477 einschlägige Aktenordner: Vgl. BA-R
8014/184-661. Gute Gesamtüberblicke über das Wirken von Ortsgruppen auf lokaler Ebene lassen
sich aus den Beständen der Stadtarchive Düsseldorf (111/1299), Frankfurt am Main (2478), Freiburg
(C 4/ IX/2/1). Gießen (L 1365/III), Göttingen (IIA 15/7). Hannover (HR 15/693 f.) und Leipzig (Kap.
35/ 1252. Bd. 1 ff.) sowie aus den Akten des Staatsarchivs Bremen (3-V.2/2053) und des LHA
Koblenz (661,11/1) gewinnen.
11)4 Pauschalisierungen verbieten sich aufgrund der Heterogenität hinsichtlich der Mitgliederstärke,
Altersstruktur, Geschlechterverteilung, des sozio-Ökonomischen Hintergrunds der Mitglieder sowie
ihrer räumlichen Nähe zum Saargebiet.
105 Die Aussagen über die berufliche und soziale Herkunft beruhen auf der Grundlage aller 16 Jahrgänge
des SF und des Schriftverkehrs der GSV mit den Ortsgruppen,
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