War die Versammlungstätigkeit der „Arbeitsgemeinschaft der Ortsgruppen des
rheinisch-westfälischen Industriebezirks“ mit Sitz in Herne schon während der
kurzzeitigen Besetzung des Reviers im Frühjahr 1921 ins Stocken geraten, brach sie
dort mit dein Beginn des Ruhrkampfes im Jahr 1923 vollends zusammen. Einige
Gruppen lösten sich auf, andere verfielen in eine Art Dornröschenschlaf und wieder
andere existierten unter einem Decknamen weiter. Erst nach dem Abzug der Franzo¬
sen konnte an eine Reaktivierung der Ortsgruppenarbeit gedacht werden. Da sich der
regionale Zusammenschluß an Rhein und Ruhr bewährt hatte, vereinigten sich die
rheinisch-westfälischen Ortsgruppen im Frühjahr 1926 zur ersten Landesgruppe des
Bundes der Saarvereine unter der Leitung des Mittelschullehrers Ernst Debusmann93.
Mitte 1933 zählte der Verband 36 Ortsgruppen mit insgesamt 24.000 Mitgliedern94.
Ebenso wichtig wie die Rekrutierung von Einzelmitgliedern und die Gründung neuer
Saarländervereinigungen im Reich war es, möglichst viele finanzkräftige Körper¬
schaften, Vereine, Städte, Landkreise, Banken und Industrieunternehmen zum Beitritt
zu bewegen. Da es für die Kommunen nahezu unmöglich war, aus der Flut nach 1918
neu gegründeter Organisationen diejenigen mit ernsthaften Zielen von denen zu
unterscheiden, die unter dem Deckmantel vaterländischer Arbeit Hilfsgelder für
eigene Zwecke einwarben, wandten sich zahlreiche Magistrate und Bürgermeister
nach den ersten Rundschreiben der Geschäftsstelle „Saar-Verein“95 an den „Deut¬
schen Städtetag“. Dessen Geschäftsführer Paul Mitzlaff leistete der Saarvereinigung
einen äußerst wertvollen Hilfsdienst, als er im Namen der Dachorganisation mittlerer
und größerer Kommunen mitteilte, daß der Saarverein als berufene Organisation für
die Erhaltung des Deutschtums im Saarland gelten könne und die Geschäftsleitung in
vertrauenswürdiger Hand liege96. Erst nach dieser positiven Stellungnahme erklärten
sich verschiedene Kommunen zu einmaligen finanziellen Unterstützungszahlungen
bereit bzw. schlossen sich korporativ an. Gerade in der kritischen Phase der Inflation
konnte die Geschäftsstelle „Saar-Verein“ auf die Unterstützung des „Deutschen
Städtetages“ bauen97.
Die körperschaftlichen Mitglieder des Bundes sind noch schwieriger als seine
Ortsgruppen zu quantifizieren. Bis zur Gründung in Bielefeld sollen neben 744
93 Nach Besuch des Lehrerseminars war der Protestant Debusmann (1883-1949) kurze Zeit in Wittlich
tätig, bevor er 1907 als Seminarlehrer nach Ottweiler zurückkehrte. Im Frühjahr 1920 zog er nach
Essen, wo er zunächst Schriftführer und ab Anfang 1926 auch Vorsitzender der dortigen Ortsgruppe
wurde. Drei Jahre später erfolgte Debusmanns Versetzung nach Elberfeld: Vgl. „Barmer Zeitung“ Nr.
45 (22.02.35): SF 7 (1926)4, S. 64 f.; SF 10 (1929) 12/13, S. 286; SF 12 (1931) 3, S. 47. Vgl. auch
VOGEL: Schulrat Ernst Debusmann: Meldekarte Debusmanns und Brief des StA Essen (08.01.2002).
94 Vgl. Brief der Ortsgruppe Herne an das AA, von Papen und das RMVerkehr (30.06.33), in: PA AA. II
a Saargebiet, R 76.095.
95 Vgl. Rundschreiben „Gedenket der Deutschen an der Saar“ (September 1919), in: StA Hannover. HR
15/693 bzw. (Oktober 1919), in: StA Freiburg, C 4/ IX/ 2/1.
% Vgl. vertrauliches Rundschreiben des „Deutschen Städtetages“ (23.10.19), in: StA Frankfurt, S 2086.
Erneut hatte sich die Präsenz der GSV in der Reichshauptstadt bewährt, deren Oberhaupt gewöhnlich
zum Vorsitzenden des 1905 gegründeten Städtetages gewählt wurde: Vgl. JOHN, S. 313.
97 Vgl. Rundschreiben des „Deutschen Städtetages“ (05.05.23), in: StA Konstanz, S 11/4415.
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