2 Die Organisation der privaten Saarpropaganda
2.1 Theodor Vogel
Die Unterzeichnung des Friedensvertrages in Versailles und die anschließende
Ratifizierung durch die Nationalversammlung machten den Saargebietsschutz mit
seiner auf ein Nahziel angelegten Strategie überflüssig. An der Uneinigkeit der
Alliierten war zwar die drohende Annexion des Saarkohlebeckens durch Frankreich
gescheitert, doch lag es angesichts der im Saarstatut festgesetzten 15jährigen Völker¬
bundsverwaltung nahe, eine dauerhafte Abwehrorganisation zu schaffen. Da Artikel
49 die bisherigen reichsdeutschen Autoritäten im Saargebiet ausschaltete, mußte
fortan eine Arbeitsteilung vorgenommen werden: Offizielle politische Kontakte zur
französischen Besatzungsmacht an der Saar bzw, der späteren Regierungskommis¬
sion liefen über das Auswärtige Amt als zuständiger Reichsbehörde, während sich
das Reichsinnenministerium ebenso wie die Länder um kulturelle Angelegenheiten
kümmerte. Die Wahrnehmung informeller Verbindungen zwischen dem Reich und
dem Saargebiet, die Stärkung und Bekräftigung des Zugehörigkeitsgefühls zu
Deutschland - kurz: die prodeutsche Propaganda - wurde hingegen in die Hände
einer formal unabhängigen und privaten Organisation gelegt.
Es ergab sich zwangsläufig, daß die mit Saarpropaganda betraute Vereinigung
zumindest offiziell auf einer breiteren gesellschaftlichen und politischen Grundlage
stehen mußte als der mit den preußischen Ministerien eng verzahnte Saargebiets¬
schutz. Das Bild, das die Saarheimat-Schutzbewegung damit bot, fügt sich in das
bekannte Muster zahlreicher anderer Organisationen und Institutionen ein, die sich
nach dem Ersten Weltkrieg der Deutschtumspflege und landsmannschaftlichen
Interessenvertretung verschrieben hatten: Nach außen autark gegenüber staatlichen
Direktiven und aus Mitteln der Bevölkerung getragen, tatsächlich aber finanziert und
gesteuert von den verschiedenen Reichs- und Länderministerien1. Unter den nur
widerwillig zur Kenntnis genommenen und innerlich nie akzeptierten veränderten
Rahmenbedingungen entschloß sich der noch halbamtliche Saargebietsschutz zur
Selbstauflösung2, schuf zugleich aber eine Rechtsnachfolgerin, die bis zur Volks¬
abstimmung 1935 Bestand haben sollte.
Offiziell erfolgte die Gründung der Geschäftsstelle „Saar-Verein“, zu der auch eine
Anzahl namentlich nicht genannter Persönlichkeiten erschienen war, am 18. Juli 1919
unter der Leitung Kar! Röchlings3. Nach § 2 seiner Geschäftsordnung verfolgte das
Unternehmen den Zweck, „durch eine unabhängige Propaganda die Befreiung des
1 Vgl. Krekeler: Deutschtumspolitik. Am Beispiel des DSB demonstriert dies: FENSCH: Deutscher
Schutzbund, S. 296.
1 Die Auflösung war um so notwendiger, da die Regierungskreise enttarnt worden waren, die hinter dem
SGS standen: Vgl. Brief der GSV an die RVP (14.04.28), in: BA-R 8014/784.
3 Der neutrale Name „Saarverein“ wurde gewählt, um jeden Anschein der Aggressivität gegenüber
Frankreich zu vermeiden: Vgl. Brief Vogels an Dr. Griiters (30.10.19), in: BA-R 8014/737.
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