rektor a.D. Müller40, Dr. Kurt Köhler41 und Dr. Herbert Stegemann angehörten. Die
beiden anwesenden Vertreter der Weimarer Nationalversammlung, Bartholomäus
Koßmann und Otto Pick, hatten ebenso wie der Zentrumsabgeordnete der Preußi¬
schen Landesversammlung, Dr. Franz Steegmann, gebeten, von ihrer Wahl Abstand
zu nehmen; statt ihrer sollten von ihren Berliner Zentralstellen Vertreter in den
Ausschuß entsandt werden42. Es wurde bereits an diesem Abend beschlossen, in
Berlin eine große Protestversammlung als Beginn für weitere Kundgebungen im
Reich abzuhalten sowie eine breit angelegte Pressepropaganda gegen die französi¬
schen Annexionsabsichten zu entfalten. Drei eng verbundene Ziele hatte sich der
Saargebietsschutz gesteckt; Eine möglichst umfassende Aufklärung im unbesetzten
Deutschland sollte die Bevölkerung mobilisieren und so auf die verantwortlichen
Politiker Druck ausüben, sich dem Problem der drohenden Annexion an der süd¬
westlichen Peripherie des Reiches verstärkt zuzuwenden. Somit ins Licht der Öffent¬
lichkeit gerückt, sollte zugleich über eine aktive Abwehr der französischen Be¬
gehrlichkeiten - wie es der Name der Vereinigung ja auch suggerierte - der Verbleib
der Saar beim Reich garantiert werden. Schließlich und endlich wollte der Ausschuß
der saarländischen Bevölkerung signalisieren, daß sie entgegen aller grassierenden
Gerüchte keineswegs in Vergessenheit geraten sei. Durch seine Existenz und sein
Wirken sollte den Saarländern Mut zugesprochen werden, weiterhin auf die deutsche
Karte zu setzen. Anhand dieser drei Tätigkeitsfelder, zu denen Mitte der zwanziger
Jahre noch vorbereitende Maßnahmen für die Volksabstimmung kamen, läßt sich die
private deutsche Saarpropaganda auch über die Brüche 1920 und 1933 hinweg
charakterisieren.
Schon von Anfang an besaß der Saargebietsschutz kein Monopol in Fragen der
Saarpropaganda: Bereits im Februar 1919 gründete sich unabhängig von ihm die
Stuttgarter „Vereinigung gegen die Lostrennung unseres Saargebietes und der
Rheinpfalz“43, und parallel zu den Vorbereitungen für die ursprünglich auf Ende
40 Müller, ehemaliger Direktor der Neunkircher Hütte, zählte als Vertreter der westdeutschen Eisenindu¬
strie zu den 22 Sachverständigen der deutschen Friedensdelegation in Versailles: Vgl. Kabinettssitzung
(18.03.19), in: AdR. Kabinett Scheidemann, Dok. 16, S. 64.
41 Dr. Kurt Köhler war von 1919-1921 geschäftsführender Vorsitzender des „Hansa-Bundes für Gewerbe,
Handel und Industrie“, welcher zahlreiche Spitzenverbände der Schwer- und Fertigwarenindustrie, des
Handels, von Großbanken sowie von Handwerker- und Angestelltenorganisationen vereinigte. Politisch
stand die Interessenorganisation, die 1919 etwa 150.000 Einzelmitglieder im Reich zählte, der DVP und
DDP nahe: Vgl. HOHBERG, S. 91 f.
42 Bezeichnend für den gesellschaftlichen Umbruch an der Saar war es, daß alle saarländischen Abge¬
ordneten der Reichskonstituante aus der Arbeiterbewegung - wenn auch unterschiedlicher Provenienz
- hervorgingen: Bartholomäus Koßmann und Karl Ollmert für das Zentrum, Otto Pick für die Liste
„Deutsche Demokratische Partei und Deutsche Volkspartei“ sowie Valentin Schäfer und Franz Pokorny
für die Mehrheitssozialdemokratie: Vgl. Heinz: 19. Januar 1919.
43 Vgl. Denkschrift der „Vereinigung gegen die Lostrennung unseres Saargebietes und der Rheinpfalz“ an
das RMFinanz (08,09.20), in: PA AA, II a Saargebiet, R 75.430. Über die Tätigkeit der Vereinigung vor
ihrem Anschluß an die Berliner Zentrale ist wenig bekannt. Das französische Generalkonsulat Stuttgart
berichtete am 20.02.22 dem Außenministerium (in: MAE, Sarre 115): „Elle se propose d’entretenir et
de resserrer les relations économiques et intellectuelles entre la région de la Sarre et 1’Allemagne.“ Siehe
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