Versand von Zeitungen und Zeitschriften strengstens untersagt24. Da auch die deut¬
schen Behörden ihre Berichte an übergeordnete reichsdeutsche Stellen den Mi¬
litärbehörden vorlegen mußten, waren die linksrheinischen Gebiete und somit die
Saar nahezu hermetisch vom Reich abgeriegelt. Obwohl der provisorische Rat der
Volksbeauftragten bereits am 23. November 1918 gegen französische Annexions¬
pläne an der Saar protestiert hatte25, rückte das Saargebiet im folgenden Winter
zusehends in den Hintergrund. Die Bedrohung der territorialen Integrität des Reiches
durch die neu- bzw. wiederentstandenen Staaten Tschechoslowakei und Polen,
dänische und belgische Ambitionen im Norden und Westen, der drohende Zerfall des
Reiches in einen lockeren Staatenbund, die Autonomiebewegung im Rheinland und
schließlich auch der Verlust der Kolonien banden in den ersten Wochen nach der
Revolution die Kräfte der deutschen Außen- und Innenpolitik. Zusätzlich belasteten
die bürgerkriegsähnlichen Zustände während des Spartakusaufstandes im Januar, die
blutigen Zusammenstöße während der Märzunruhen in Berlin, die innenpolitischen
Spannungen im Frühjahr durch die Streikbewegungen in industriellen Kernregionen,
die Auseinandersetzungen um die Verfassung, die angespannte Ernährungs- und
Versorgungslage und das abschreckende Beispiel der beiden Münchener Rätere¬
publiken die Konsolidierungsphase des republikanischen Experiments26. Die Gefahr,
daß sich die Reichsregierung in den bevorstehenden Friedensverhandlungen dazu
hinreißen lassen könnte, durch Zugeständnisse an der Südwestecke ihren Koopera¬
tionswillen zu demonstrieren und das Saargebiet anstelle der Gebietsverluste im
Osten des Reiches zu opfern, schwebte im Frühjahr 1919 wie ein Damoklesschwert
über der Saar. Trotz der hohen personellen und organisatorischen Kontinuität in
nahezu allen Reichsbehörden27 fehlte auf deutscher Seite im Frühjahr 1919 eine für
das Saargebiet zuständige Instanz und Interessenvertretung28 29.
Als Reaktion auf die Isolation des Saargebiets und unter dem Eindruck der innen¬
politischen Unruhen im Reich fanden sich Mitte Januar 1919 Vertreter des preußi¬
schen Handelsministeriums - insbesondere der Bergverwaltung des Finanzmini¬
steriums sowie der saarländischen Privatwirtschaft zusammen2“ \ Von welcher Seite
24 Vgl. S.Z. Nr. 4 (04.01. ¡9), Nr. 12 (12.01.19) und Nr. 27 (27.01.19).
25 Vgl. Noble, S. 206.
26 Vgl. Winkler: Weimar, S. 72-82.
27 Vgl. DOSS, S. 188-215; Grupp, S. 12-24.
28 Mitte Juni 1919 war zwar der Kölner Regierungspräsident Karl von Starck zum „Reichs- und Staats¬
kommissar für die besetzten rheinischen Gebiete“ ernannt worden, doch beschränkten sich dessen
Befugnisse auf die Wahrnehmung allgemeiner Besatzungsangelegenheiten gegenüber der Rheinland¬
kommission. Die Ernennung Rudolf von Grootes zum „Reichskommissar für die Übergabe des
Saargebietes“ erfolgte erst Anfang 1920 durch das AA. Vgl. Herrmann: Oberpräsident, S. 754 ff.;
POHL, S. 281 f.; Weißbuch. Dok. 37 f„ S. 73 ff. (27.02.20).
29 Eine Vielzahl der anwesenden preußischen Beamten hatte mehrere Jahre im Saargebiet zugebracht und
so vielfältige familiäre Verbindungen zur eingesessenen bürgerlichen Führungsschicht geknüpft. Da die
größeren saarländischen Unternehmen in der Reichshauptstadt Zweigniederlassungen besaßen, waren
die Kontakte nach der „Bewährung“ der Beamten in der Provinz und der beförderungsbedingten
Versetzung in die Berliner Zentralstellen nicht abgerissen: Vgl. Hahn; Die Beamten.
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