einsetzende Pressezensur ließen sich noch als nachvollziehbare Präventivmaßnahmen
zur Sicherung der eigenen Truppen bzw. Verhinderung der Wiederaufnahme von
Kriegshandlungen erklären11 13. Die Anwesenheit farbiger Besatzungssoldaten und
Ehrerweisungen gegenüber französischen Regimentsfahnen oder der Tricolore
schienen der Bevölkerung hingegen nicht hinnehmbare Provokationen zu sein. Zur
gleichen Zeit liefen die Vorarbeiten zur Separation des Saarbeckens von Deutschland
mit dem Ziel der späteren Annexion auf Hochtouren. Durch die provisorische Er¬
richtung des militärischen Verwaltungsbezirks Saargebiet bildeten die aus dem
Regierungsbezirk Trier herausgelösten preußischen Saarkreise erstmals eine admini¬
strative Einheit, wodurch die Entscheidungen der Friedenskonferenz präjudiziert
wurden14. Parallel hierzu forcierte die Militärbehörde unter Leitung des ^Admini¬
strateur supérieur de la Sarre“ General Joseph Andlauer die Umorientierung nach
Westen15. Zumindest vorübergehend konnten sich die französischen Annexionisten
ihren Zielen näher fühlen, zumal die Autorität der deutschen Behörden und ihrer
Amtsträger wegen massiver Engpässe in der Lebens- und Futtermittelversorgung
systematisch untergraben wurde16. Im Gegensatz zu den in Mißkredit gebrachten
deutschen Beamten schienen die neuen Machthaber an der Saar in der Lage, die
Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Zusätzlich diente ein reichhaltiges
kulturelles Angebot mit Theater- und Filmvorstellungen, „salles de dépêche et de
lecture“ mit profranzösischen Büchern und Zeitungen. Vorträgen, Konzerten und
Ausstellungen, eine insbesondere in Abgrenzung zu den Maßnahmen des preußi¬
schen Kultusministers Adolf Hoffmann betont katholiken- und kirchenfreundliche
Politik oder auch die wirtschaftspolitischen Aktivitäten der „Association des Indu¬
striels et Commerçants français de la Sarre“ als weitere Lockmittel der Franzosen17.
Dieser „pénétration pacifique“ standen Drohungen und Repressalien gegenüber.
Lokale Autoritäten, die nicht für die französische Sache gewonnen werden konnten,
wurden eingeschüchtert und gegebenenfalls abgesetzt bzw. ausgewiesen. Übergriffe
der französischen Soldaten gegen die Zivilbevölkerung gehörten ebenso zum Alltag,
11 Vgl. Hellwig/ Ollmert, in: LA Saarbrücken, K 62/ 1134, S. 7 ff. : HERRMANN: 1919 - Schicksalsjahr
an der Saar, S. 254; RÖCHLING, S. 23-27; VOGEL: Das deutsche Saarland, S. 54-58.
14 Dessen ungeachtet blieb die Militärbehörde für das Saargebiet auch weiterhin dem Kommando der X.
Armee in Mainz unterstellt, und zumindest bis zum Beginn der Versailler Friedenskonferenz unter¬
schied sich die Saarpolitik der Franzosen nicht wesentlich vom Vorgehen im Rheinland. Erst im
Frühjahr 1919, als die Saar einen besonderen Status erhalten sollte, wuchsen die Handlungsspielräume
Andlauers gegenüber der „Haute Commission Interalliée des Territoires Rhénans“ (H.C.I.T.R.) unter
Leitung Paul Tirards.
15 Vgl. Weißbuch, Dok. 7, S. 27 f. Mitte Dezember 1918 erfolgte die Einführung der westeuropäischen
Zeit auch in Saarbrücken: Vgl. BUMILLER, S. 23. Zu den wirtschaftlichen Folgen der hermetischen
Absperrung nach Osten vgl. Süss, S. 17-21.
16 Vgl. Nachrichtensammlung X (02.05.19), in: BA-R 8014/5.
Vgl. Mayer: Französische Politik, S. 73-77; AREND, S. 132-138; RÖCHLING, S. 25 f. Weitere Aspekte
der französischen Propagandatätigkeit im Raum Saarlouis siehe im Weißbuch, Dok. 7, S. 27-30 und
allgemein: ..Nachrichten aus dem Saargebiet“ I-XV, in: BA-R 8014/820.
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