Full text: ‚‚Deutsch die Saar, immerdar!‛‛

1 Deutsche Saarpropaganda zwischen Waffenstillstand und 
Unterzeichnung des Friedensvertrages 
Die Nachricht von der deutschen Mobilmachung und dem darauf folgenden Kriegs¬ 
ausbruch versetzte auch Teile der Bevölkerung an der Saar Anfang August 1914 in 
eine kurzzeitige nationale Euphorie1. Auf die Hochstimmung folgte jedoch - schnel¬ 
ler als in den von der Front weiter entfernten deutschen Regionen - recht bald die 
Ernüchterung. Nach anfänglichen deutschen Erfolgen entbrannte ein unerbittlicher 
Stellungskrieg mit bis dahin nicht gekannten Menschenverlusten. Somit blieb das 
erhoffte ..Wiedersehen auf dem Boulevard“ Illusion, und der unbeschwerte „Ausflug 
nach Paris“ entwickelte sich bald zur „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (George 
F. Kennan). 
Trotz Engpässen in der Lebensmittelversorgung, trotz zunehmender Terrorisierung 
der Zivilbevölkerung durch alliierte Bombenabwürfe, trotz vereinzelter Streiks und 
Proteste und trotz verbreiteter Kriegsmüdigkeit innerhalb der Industriearbeiterschaft 
hielt die „Heimatfront“ in der Saarregion bis zuletzt stand'. Noch am 8. November 
1918, als sich die von Kiel ausgehende Revolution bereits über den Norden des 
Reiches bis ins Rheinland ausgebreitet hatte, luden 19 konfessionell-bürgerliche 
Vereinigungen und Wirtschaftsverbände zu einer Kundgebung in den städtischen 
Saalbau ein, auf welcher sie ihre Verbundenheit zum Kaiserreich und Wilhelm II. 
zum Ausdruck bringen wollte1 *. Als am darauffolgenden Tag revolutionäre Matrosen 
am Hauptbahnhof eintrafen, war von dieser Solidarität mit der Monarchie hingegen 
nichts zu spüren. Etwa zeitgleich mit der Proklamation der „Deutschen Republik“ 
durch Philipp Scheidemann am Berliner Reichstag konstituierte sich auch in der 
Saarmetropole ein Arbeiter- und Soldatenrat, ohne daß Militär- oder Zivilbehörden 
Widerstand geleistet hätten4. Das alte System kapitulierte damit vor den Kräften, die 
es jahrzehntelang klein zu halten bemüht war. Hatte das Hilfsdienstgesetz von 1916 
bereits das Fundament der autoritär-patriarchalischen Gesellschaftsordnung im 
„Königreich Stumm“ erschüttert, versetzte ihm die Revolution - wie auch den realen 
Monarchien im Deutschen Reich - den Todesstoß. 
1 Vgl. S.Z. Nr. 212 (06.08.14). Siehe hierzu Gehlen: Ein einig Volk von Brüdern?, S. 40 ff. An neueren 
Veröffentlichungen zum Ersten Weltkrieg vgl. SALEWSKI. Das scheinbar kollektive Augusterlebnis läßt 
sich durch eine breite Auswertung der deutschen Tagespresse als ein Phänomen des männlichen, 
protestantischen Bildungsbürgertums der Städte — in diesem Fall Saarbrückens - und v.a. der jüngeren 
Generation beschreiben, die den Krieg von 1870/71 noch nicht selbst miterlebt hatte und nun die 
Möglichkeit sah, sich zu bewähren. Die katholische Landbevölkerung verhielt sich hingegen ebenso wie 
die Arbeiterschaft eher passiv und skeptisch: Vgl. Verhey: Der „Geist von 1914“, S. 28-193. 
2 Vgl. Mallmann/ Steffens, S. 117-121. 
Vgl. S.Z. Nr. 310 (08.11.18). Die Initiative zu der für den 10.11.18 angesetzten Großveranstaltung ging 
von Obleuten des Heimatdienstes aus. Innenpolitische Ereignisse überholten allerdings die Planungen, 
so daß die Kundgebung nicht mehr stattfand. Der Text der dort zu verabschiedenden Solidaritäts¬ 
erklärung mit der Monarchie stammte von Theodor Vogel (06.11.18), in: StA Saarbrücken, Großstadt 
1552. 
1 Vgl. Mallmann: Arbeiter- und Soldatenräte in der Provinz; METZMACHER. 
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