Gegenüber Personen seines Vertrauens hielt Vogel mit seiner Enttäuschung nicht
hinter dem Berg. Hatte er die gesamte ,,Gleichschalterei" schon früher kritisiert, so
räumte er gegenüber Posselt ein, daß seine Strategie der anbiedernden Konformität
gescheitert war. Resigniert stellte er fest, daß der Bund kaltgestellt sei und klagte:
„Mit dem Dank des Vaterlandes hat das meiner inneren Überzeugung nach nichts zu tun, da mein
Vaterland immer noch das ist, was ich früher darunter verstanden habe, und an dem ich auch,
komme, was da kommen mag, festhalten werde,“41 47
Er spielte mit dem Gedanken, die Geschäftsstelle „Saar-Verein1' als eigenständiges
Unternehmen unter dem Namen „Saargebietsschutz der Geschäftsstelle ,Saar-Ver¬
ein'“ weiterzuführen und auch den „Saar-Freund“ als Publikationsorgan beizubehal¬
ten. Doch so wenig Vogel bereit war, das Feld der Saarpropaganda den neuen Em¬
porkömmlingen kampflos zu überlassen, so wenig zutreffend wäre es, sein Verhalten
mit der Kategorie „Widerstand“ zu erklären. Hier scheint der von Mallmann und
Paul geprägte Begriff der „loyalen Widerwilligkeit“ weitaus passender, da sich die
Distanz Vogels nur punktuell und bezogen auf seinen bisherigen autonomen Wir¬
kungsbereich artikulierte48 50. Ebensowenig wie der nationalliberale Monarchist Vogel
Ambitionen zeigte, die Weimarer Demokratie und deren Parlamentarismus zu vertei¬
digen, ebensowenig wie in der Stresemannstraße tatsächlich ein Gesinnungswandel
stattfand und Vogel zum überzeugten Nationalsozialisten mutierte, so wenig läßt sich
bei ihm eine generelle fehlende Loyalität zum neuen Regime feststellen. Vogel war
intelligent genug, sich dem Zeitgeist anzupassen, wenngleich seine Huldigungen an
die neuen Machthaber nicht immer glaubhaft wirkten und eher Lippenbekenntnisse
und Pflichtübungen waren als innerer Überzeugung entsprangen. Wie viele seiner
Zeitgenossen gab er sich der Illusion hin, die Begleiterscheinungen des nationalsozia¬
listischen Terrorregimes von der Person Hitlers trennen zu können4'’. Vogel bewegte
sich in einem Spannungsfeld zwischen anbiedernder Anpassung und passiver Resi¬
stenz: Kritische Töne außer gegenüber seinen engsten Vertrauten sucht man bei ihm
vergebens, wohingegen er den neuen Machthabern Tribut zollte und ihnen nach dem
Mund redete. Auf der einen Seite wahrte Vogel innere Distanz zum RegimeM), zeigte
sich tief darüber enttäuscht, daß seine eigenen Verdienste zu wenig Beachtung
41 Vgl. Brief der GSV an Posselt (18.07.33), in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 6. Daß Andres „abgebaut“
werden solle, sei ebenso wie sein eigenes Schicksal „unsagbarer Undank“: Vgl. Brief der GSV an
Neikes (18.07.33), in: StA Saarbrücken, Großstadt 2944.
48 Vgl. MALLMANN/ Paul: Resistenz oder loyale Widerwilligkeit? Die Feststellung SCHÖNDORFs (Die
Aktivität der Saar-Vereine, S. 50), der Bund sei „mit fliegenden Fahnen in das Fahrwasser der na¬
tionalsozialistischen Bewegung“ gewechselt, geht sicherlich in die falsche Richtung. Vogel wies
vielmehr die idealtypische „breite Palette sich widersprechender, aber auch ergänzender Verhaltens¬
weisen, eine Gemengelage aus Mitmachen, Adaption, Umbiegen, Sich-nutzbar-Machen, Eigensinn und
Widerstehen“ auf. Zitiert nach PAUL: Widerstand an der Saar, S. 9.
49 Vgl. Brief der GSV an Posselt (05.10.33), in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 6.
50 Noch Ende August 1933 Unterzeichnete er Briefe wie die Jahre zuvor „mit treudeutschem Saargruß“;
auch in späteren Jahren griff er nur bei offiziellen Schreiben zum Hitlergruß: Vgl. Brief der GSV an das
AA (28.08.33), in: PA AA, II a Saargebiet, R 75.638; Brief Vogels an Hauptschriftleiter Wilhelm
Fischdick (16.01.39), in: LA Saarbrücken, NL Vogel 38.
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