Auswärtigen Amt ins Leben gerufen18 19. Mit dem Ziel, dem Bund seine auf Eis gelegte
Handlungsfähigkeit zurückzugeben, wandte sich eine Woche später Andres an
Hermann Röchling, der 1931 vorübergehend Mitglied des Aufsichts- und Beratungs¬
ausschusses der Geschäftsstelle „Saar-Verein“ gewesen war; die Früchte des jahre¬
langen Hofierens des saarländischen Großindustriellen sollten nun geerntet werden.
Andres äußerte seine Bedenken über die Überparteilichkeit des Bundes, die der
neuen Regierung ein Dorn im Auge sein könne. Dabei bekannte er sich ohne Um¬
schweife zu diesem jahrelangen gepflegten Grundsatz, da diejenigen, die sich nicht
mit dem Ziel des Vereines „Zurück zum Reich“ identifizieren konnten, ohnehin als
Kooperationspartner ausgeschieden seien. Noch immer in dem Glauben, der Bund
der Saarvereine hätte es in der Hand, sein neues Tätigkeitsfeld in Absprache mit den
neuen Machthabern selbst abzustecken, bat Andres den saarländischen Industriellen,
ein Treffen zwischen der Vereinsführung und dem „Triumvirat Röchling, Kiefer,
Bürkel [sic!]“ zu initiieren. Mehrfach wies er darauf hin. daß die Zeit dränge; ins¬
besondere müßten die Vorbereitungen für die Niederwaldkundgebung unverzüglich
getroffen werdenl ). Andres konnte nicht wissen, daß am gleichen Tag das preußische
Innenministerium bei verschiedenen Ressorts die Zustimmung einholte, die Federfüh¬
rung für die Veranstaltung übernehmen zu dürfen - der Bund der Saarvereine wurde
hierbei mit keinem Wort erwähnt20.
Bevor das seit Monaten erbetene Treffen tatsächlich Mitte Juni im Auswärtigen Amt
stattfand, hatten sich die Rahmenbedingungen insofern geändert, als eine neue
Organisation für die Verbände des Westens ins Leben gerufen worden war. Für
wenige Wochen schien es möglich, ein personelles Revirement und tiefergehende
strukturelle Einschnitte im Bund durch die Kooperation mit dieser nationalsoziali¬
stischen Schöpfung zu verhindern.
1.1.2 Gleichschaltung durch Anschluß an den „Bund Deutscher Westen “?
Infolge der Auflösung des Ministeriums für die besetzten Gebiete fristete der „West¬
ausschuß für Rhein. Pfalz und Saar“21 nach 1930 nur noch ein Schattendasein. Sein
langjähriger Geschäftsführer Mehrmann erkannte im Frühjahr 1933 die Chancen, die
18 Vgl. KUNKEL, Anl. 5, S. 134—137. Anfang Juni übertrug Voigt dem Ausschuß die Zuständigkeit für die
Belange des Bundes: Vgl. Briefe des AA an Bürckel, Kiefer und Röchling (03.06.33), in: PA AA, II a
Saargebiet, R 76.095.
19 Vgl. Brief Andres’ an Röchling (23.05.33), in: BA-R 8014/682.
20 Vgl. Brief des PrMI an das AA. RMPropaganda und RMI (23.05.33), in: PA AA, II a Saargebiet, R
76.095.
21 Als Zusammenschluß der landsmannschaftlichen Spitzenverbände erhielt der Westausschuß zwar nicht
den Status der „Rheinischen Kulturkonferenz“, als Sprachrohr der halboffiziellen RVP fungierte er aber
als „Ausstrahlungsorgan für das unbesetzte Gebiet“, wo er sich durch Resolutionen und Aufrufe an die
Öffentlichkeit wandte. Die angeschlossenen Vereinigungen profitierten von der Organisation, da sie es
ihnen ermöglichte, sich unter Beibehaltung ihrer Selbständigkeit untereinander auszutauschen und ihre
Propagandakampagnen zu koordinieren: Vgl. Gliederungsübersicht (November 1923), in: BA-R
8014/782; ADAP, A X, Dok. 16, S. 45^-8 (11.04.24) sowie den Organisationsplan der RVP (01.02.24),
in: PA AA, Presseabteilung, R 122.463. Vgl. zum Westausschuß allgemein BA-R 1603/2776-2780.
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