Beide Seiten waren nach außen bemüht, die Normalität ihres Verhältnisses zu beto¬
nen, doch wirkten derartige Bekenntnisse oftmals verkrampft und entsprachen eher
taktischen Erwägungen als innerer Überzeugung. Nur einmal versuchte Braun, den
Bund als Forum zu nutzen, scheiterte dabei aber an der Skepsis der anderen
Parteien ''1. Mit seinen zur damaligen Zeit utopischen Parolen wie „Es lebe das neue
Europa saarländischer und deutscher Freiheit und deutsch-französischer Verständi¬
gung“39 40 konnte die Mehrheit der Mitarbeiter im Bund der Saarvereine nur wenig
anfangen. Vielmehr entrüsteten sie sich über das extravagante Auftreten Brauns und
seiner Gattin und fühlten sich zu erzieherischen Maßnahmen gegenüber der sozialde¬
mokratischen Partei verpflichtet41. Über die Dissonanzen konnten auch Brauns
Auftritte auf Veranstaltungen des Bundes nicht hinwegtäuschen42, wenngleich der
„Saar-Freund“ dies als Zeichen der neu formierten Einheitsfront wertete. Der endgül¬
tige Bruch zwischen dem Bund der Saarvereine und der saarländischen Sozialdemo¬
kratie erfolgte unmittelbar nach der Neustädter Bundestagung 1931. Braun hatte dort
über die „Lösung der Saarfrage“ referiert und eine Lanze für die deutsch-französi¬
sche Aussöhnung gebrochen43, in der anschließenden Berichterstattung des „Saar-
Freund“ aber gerade diese Passagen zur Verständigung vermißt44. Er schlug gegen¬
über dem Bund der Saarvereine nun selbst einen aggressiveren Ton an, und während
er den Aufruf zur Bundestagung noch unterzeichnet hatte, sucht man Brauns Unter¬
schrift auf den nun folgenden Rundschreiben der Geschäftsstelle „Saar-Verein“
vergebens45. Der Mitte der zwanziger Jahre entstandene und trotz aller beidseitiger
Lippenbekenntnisse seitdem nie wirklich zugeschüttete Graben zwischen der saarlän¬
dischen Sozialdemokratie und dem Bund der Saarvereine war erneut aufgerissen;
bereits eineinhalb Jahre bevor Braun von Hitler während der Reichstagsdebatte zum
39 Ihm schwebte eine Vortragsveranstaltung vor, auf welcher sich auch Levacher (Zentrum) und Schmel¬
zer (DSVP) im Festsaal einer staatlichen Behörde zu Wort melden sollten. Das AA empfahl angesichts
der laufenden Gespräche in Paris, die Veranstaltung abzusagen: Vgl. Brief Voigts an König (08.03.30),
in: PA AA, II a Saargebiet. R 76.093; Protokoll der Besprechungen (24.02.30) und Rundschreiben der
GSV an Braun, Levacher und Schmelzer (26.02.30), in: BA-R 8014/831.
40 Braun auf der Kundgebung im Saarbrücker Saalbau anläßlich des zehnten Jahrestages der Unterzeich¬
nung des Versailler Vertrages (28.06.29), in: SF 10 (1929) 14. S. 296. Demgegenüber erschöpfte sich
Vogels Politikverständnis eher in Freund-Feind-Kategorien.
41 Vgl. Brief der GSV an das AA (31.10.30, in: PA AA, II a Saargebiet, R 76.093) und Ollmert (21.11.30),
in: BA-R 8014/118. Siehe hierzu: PAUL: Max Braun, S. 31-36.
42 Vgl. Bericht über die Saarkundgebung am 25.11.30 in Frankfurt am Main mit Vortrag Brauns, in: SF
11 (1930) 24, S. 441 ff.; S.Z. Nr. 324(28.11.30).
43 Vgl. SF 12 (1931) 15/16, S. 264 f.; „Volksstimme“ Nr. 159 (13.07.31). Sinngemäß wiederholte Hitler
drei Jahre später auf der Saarkundgebung auf dem Ehrenbreitstein sogar die Ausführungen Brauns, daß
die Saarfrage das letzte noch offene Grenzproblem in Europa darstelle.
44 „Volksstimme“ Nr. 230 (03.10.31). Auch die anschließenden Rechtfertigungsversuche Vogels konnten
Braun nicht überzeugen. Vgl, Brief der GSV an die Redaktion der „Volksstimme“ und Braun
(09.10.31), in: BA-R 8014/893; SF 12 (1931) 21, S. 357 ff.
45 Vgl, SF 12 (1931) 13/14, S. 236. Vgl. Aufruf „Ein ernstes Wort zu ernster Stunde“ (15.12.31), in: LA
Saarbrücken, Saar-Verein 19; Rundschreiben der GSV (Januar 1932), in: StA Bonn, Pr 10/325; „Notruf
für die deutsche Saar“ (Frühjahr 1933), in: BA-R 8014/790 sowie die Empfehlungsschreiben aus der
ersten Jahreshälfte 1932, in: SF 13 (1932) 2-11.
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