der Völkerbundszeit nahezu alle bedeutenderen saarländischen Zeitungen durch
indirekte Beteiligungen und Darlehen, für die Winkler in der Regel Sicherheiten wie
die Übertragung von Druckmaschinen oder Hypotheken auf Immobilien verlangte15.
Mit der Entscheidung verschiedener Reichsressorts im September 1921, künftig alle
Unterstützungsgesuche von Grenzgebietszeitungen der Konkordia zuzuleiten, schied
dieser Aufgabenbereich sukzessive aus dem Presseengagement der Geschäftsstelle
„Saar-Verein“ aus. Sie stellte allerdings in den folgenden Jahren bisweilen die
notwendige Fassade, hinter welcher Winkler Gelder an die Saar fließen lassen
konnte, ohne selbst in Erscheinung zu treten16 18. „Zuverlässigen“ saarländischen
Zeitungen vermittelte Vogel fortan Darlehen bei der Konkordia, wobei es nicht
immer gelang, die Zahlungen vor den Franzosen zu verbergen1 . Insgesamt begann
man in der Königgrätzer Straße zu dieser Zeit allerdings den Aufbau einer speziali¬
sierten Pressekorrespondenz zu favorisieren, aus der schließlich mit dem „Saar-
Freund“ eine eigene Zeitschrift hervorging.
Die Geschäftsstelle profitierte dabei von ihren engen Kontakten zu Kraus, dem es
durch seine Beharrlichkeit gelungen war, zum Feiter der „Po/itischen West-Ost-
Nachrichtenagentur“ (Polwona) ernannt zu werden. Offiziell als privat organisiertes
Fektorat der RVP und in enger Anbindung an die Presseabteilung der Reichsregie¬
rung arbeitete die Polwona als Relais für Informationen aus den besetzten Gebieten
und dem Reich15. Kraus versorgte sowohl die ausländische und reichsdeutsche Presse
als auch staatliche Behörden, Parlamentarier und sonstige Interessenten mit Neuig¬
keiten aus dem Rheinland: Neben einer täglich erscheinenden Umdruckausgabe der
„Polwona“19 versandte das Büro zweimal wöchentlich die mehrseitige „Übersicht
über die Ereignisse und Pressestimmen der besetzten und abgetrennten deutschen
Gebiete im Osten und Westen“20. Über seine Zweigniederlassungen Köln, Frankfurt
am Main und Mannheim lancierte Kraus auch solche Nachrichten, die das „Wölfi¬
sche Telegraphenbüro“ (WTB) aufgrund des Abkommens mit der französischen
Havas nicht nach dort weiterleiten konnte21 *. Ein weiterer Ableger der Polwona, die
15 Vgl. ebd.,S. 127-158.
16 Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung des BdS vom 27.10.22 (27.10.22), in: BA-R 8014/7. Vgl. all¬
gemein: BA-R 8014/1078-1081.
17 Aber auch sie durchschauten das Winklersche Finanzierungssystem nicht vollständig: Vgl. Ren¬
seignement (30.10.22), in: C.A.D.N., Amb. Berlin B 603.
18 Vgl. nicht Unterzeichnete und undatierte Aktennotiz (wahrscheinlich Sommer 1920), in: PA AA,
Presseabteilung, R 122.462. Die Finanzierung der Polwona erfolgte aus Mitteln der RVP: Vgl. WlPPER-
MANN, S. 204 f.
19 Vgl. die Ausgaben 1-78 in: BA-R 8014/106!.
20 Fiir diese Synthese zeichnete vorübergehend der spätere saarländische Ministerpräsident Johannes
Hoffmann verantwortlich.
21 Kraus erhielt hierzu von der RVP detaillierte Weisungen: Vgl. Brief Kraus’ an die RVP (26.10.20), in:
BA-R 1603/2692. Unter der Leitung Lilligs arbeitete das Frankfurter Nachrichtenbüro in der Taunus¬
straße 14 als Umschlagstelle für Nachrichten nach Saarbrücken und Mannheim, wo das „Oberrhei¬
nische Nachrichtenbüro“ (ONB) zur Versorgung der pfälzischen Presse aufgebaut wurde. In Köln
übernahm „Mirbachs telegraphisches Büro" diese Aufgabe für die Polwona: Vgl. nicht Unterzeichnete
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