4 Medien der Saarpropaganda
4.1 Aufbau der Presseabteilung
Wie auch im sonstigen besetzten Gebiet hatte die Militärverwaltung an der Saar das
wichtigste Instrument der Meinungsbildung und Meinungslenkung umgehend unter
ihre Kontrolle gebracht. Mögen es die strikten Zensurvorschriften, mögen es die von
französischer Seite lancierten Meldungen, mag es die gesteuerte Verknappung von
Papier und sonstigen Druckmaterialien oder mag es das über den Redakteuren
schwebende Damoklesschwert der Ausweisung gewesen sein - kritische Äußerungen
über die „pénétration pacifique“ verschwanden zusehends aus den Blättern. Die
Separation von den rechtsrheinischen Agenturen gefährdete die wirtschaftliche
Existenz vieler Zeitungsbetriebe und schwächte damit direkt die deutsche Position,
da mit jedem Verschwinden eines Blattes nicht nur die bisherige prodeutsche Mei¬
nungshoheit an der Saar gegenüber der frankophilen Presse ins Hintertreffen zu
geraten drohte, sondern der Gegenseite die Möglichkeit eröffnet wurde, jede Insol¬
venz propagandistisch als Symptom für den allgemeinen Niedergang des Deutsch¬
tums auszuschlachten1.
Angesichts dessen ist es verständlich, daß der Auf- und Ausbau eines Presseappara¬
tes zu den ersten Maßnahmen zählte, die Vogel - selbst jahrzehntelang auf dem
Pressesektor tätig - für die Geschäftsstelle „Saar-Verein“ in Angriff nahm. Schon im
Sommer 1919 präsentierte er verschiedenen Reichsministerien seine Vorstellungen
für eine wirkungsvolle Presseorganisation in den besetzten und abgetretenen Gebie¬
ten2. Die wichtigste Aufgabe der Pressepropaganda sollte es sein, den deutschen
Gedanken und die getrübte „Freude an dem preußischen Staate und dem Reiche“
aufrechtzuerhalten. Hilfreich könne hierbei, so Vogel, die Betonung der neuen
demokratischen Strukturen des Vaterlandes sein. Als entscheidende Stärke eines neu
aufzubauenden Nachrichtendienstes schien ihm, daß die Blätter im besetzten Rhein¬
land nicht länger von den Berliner Feuilletonkorrespondenzen versorgt werden
mußten, die der gegnerischen Propaganda wegen ihrer Berichterstattung über die
bürgerkriegsähnlichen Zustände in Berlin. Hamburg oder München in die Hände
gearbeitet hätten. Die Vorzüge der neuen Presseorganisation seien offensichtlich:
„Durch eine systematische Beeinflussung würde dann auch das unklare Wünschen des Volkes
dirigiert werden können und zwar in einer Richtung, in der sich Rechte und Pflichten sowohl der
partikulären Bevölkerung als auch der Staatsregierung treffen.“
Dies sollte durch die Versorgung der Zeitungen mit geeigneten Artikeln und Sonder¬
berichten geschehen. Gleichzeitig schlug Vogel vor, religiöse, sportliche, volks¬
bildende und Unterhaltungsvereine ebenso wie die christlichen und sozialistischen
Gewerkschaften als Träger der deutschen Propaganda heranzuziehen. Nach außen
sollte dieser Dienst wie die etablierten Nachrichtenagenturen arbeiten, ohne daß die
1 Vgl. hierzu: Baldauf, S. 69-74; WAGNER; Die Presse des Saargebietes, S. 47-80.
' Vgl. im folgenden: Denkschriften der GSV (18.07.19 und 06.08.19), in: BA-R 8014/662.
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