auch die Ortsgruppen mit großem Interesse die Gespräche in Paris verfolgten. Wäh¬
rend der gesamten sieben Monate, die sich die Konferenz mit zwei Unterbrechungen
hinzog, ging der „Saar-Freund“ in seiner Aufgabe auf, der deutschen Delegation
propagandistische Schützenhilfe zu leisten. Die bisherige Polemik wurde in dieser
Phase zugunsten wissenschaftlich fundierter Artikel zurückgestellt, wenngleich sie
nicht gänzlich aufgegeben wurde444. Als sich im Frühjahr 1930 jedoch abzeichnete,
daß sich die beiden Delegationen vor allem in der Grubenfrage nicht würden einigen
können445, verschärfte sich der Ton446.
Die deutschen Verhandlungsführer sollten in den Kernfragen hart bleiben und keinen
unüberlegten Kompromißformeln zustimmen. Schließlich habe die Saarbevölkerung
bereits zehn Jahre der Trennung hinter sich gebracht, so daß sie lieber weitere fünf
Jahre ausharre, als über 1935 hinausreichende Opfer erdulden zu müssen447:
„Brecht ab! - Laßt sie laufen!
Mir wird schon ganz schlecht!
Wer mag sich denn raufen
Mit Räubern ums Recht? [...]
Wills eben nicht klappen,
Gebt nicht zuviel nach!
Laßt uns die Entscheidung
Am Abstimmungstag!“448
Ungeachtet dessen, daß der „Saar-Freund“ in den zurückliegenden Monaten selbst
massiv die Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr des Saargebiets genährt hatte,
stellte er sich nach dem offiziellen Ende der Verhandlungen Anfang Juli 1930 auf
den Standpunkt, daß das Scheitern der Gespräche aus saarländischer Sicht zu be¬
grüßen sei. Die Pariser Saarkonferenz habe der Weltöffentlichkeit eindringlich die
Annexionspläne Frankreichs offenbart, wie sie im Grunde seit Kriegsende unver¬
ändert bestanden hätten. Da die französische Regierung keine gerechte Lösung der
Saarfrage angestrebt habe, sondern unter Berufung auf wirtschaftliche Bindungen
dauerhaft die deutsche Souveränität an der Saar zurückdrängen wollte, habe es der
politischen Vernunft entsprochen, bis zum Referendum 1935 zu warten449.
444 Zum Verlauf der Konferenz aus Sicht des SF vgl. SF 10 (1929) 22, S. 473 ff.; SF 10 (1929) 23, S.
493^496; SF 10(1929) 24. S. 517 f.; SF II (1930) 2, S. 27 f.; SF 11 (1930)2, S. 32 f.; SF 11 (1930)
4, S. 72-75; SF 11 (1930) 5, S. 93-97; SF 11 (1930)5, S. 100f.;SF 11 (1930)6, S. 110-114; SF 11
(1930)7, S. 130 ff.; SF 11 (1930)8, S. 148-152; SF 11 (1930)9, S. 165; SF 11 (1930) 10, 175-179;
SF 11 (1930) 10, S. 182 ff.; SF II (1930) 11, S. 194f.;SF II (1930) 12, S. 209 ff.
445 Frankreich beharrte auf der Privatisierung der Saargruben, die in eine gemischt deutsch-französische
Kapitalgesellschaft überführt werden sollten, während die deutsche Delegation an der Rückkehr der
Zechen in preußischen bzw. bayerischen Staatsbesitz eintrat.
446 Vgl. SF II (1930)5, S. 100; SF 11 (1930) 6, S. 120 f.; SF 11 (1930) 12, S. 207.
44 Karius und Vogel plädierten zu dieser Zeit bereits für den Abbruch der Pariser Verhandlungen: Vgl.
Brief Karius’ an die GSV und Antwortschreiben (07.04.30 und 11.04.30), in: LA Saarbrücken, Saar-
Verein 12; Monatsbericht des „Deutschen Rhein“ (April 1930), in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 19;
SF 11 (1930) 8, S. 148 ff.; SF 11 (1930) 17, S. 317 ff. Zur gleichen Zeit sondierte Vogel beim AA
(11.04.30, in: BA-R 8014/680), ob von seiten der Westverbände eine größere Propagandaaktion
eingeleitet werden sollte, um Frankreich unter Druck zu setzen.
448 Das Gedicht „Saar-Delegation“ stammte von Thamerus, in: SF 11 (1930) 16. S. 305.
449 Vgl.SF 11 (1930) 15, S. 278 ff.; SF 11 (1930) 22, S. 401 ff.; SF 11 (1930) 22, S. 414 f.; SF 11 (1930)
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