das Saargebiet nur noch während einer Übergangsphase als Einheit behandelt werden
solle41 42. Doch schon das „Gesetz über die vorläufige Verwaltung des Saarlandes“ vom
30. Januar 19354: besiegelte drei Wochen darauf das definitive Ende der seit 1920
ruhenden staatsrechtlichen Zugehörigkeit der saarländischen Landkreise bzw. Bezir¬
ke zu Preußen und Bayern43.
* * *
Der folgende komprimierte Abriß der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Geschichte der Saarregion vor 191844 beschränkt sich auf einzelne Episo¬
den und Entwicklungslinien, die sich im kollektiven Gedächtnis der Saarländer
einnisteten, sich zu ihrem Erfahrungshorizont verdichteten, in den Schulen unter¬
richtet und von der Saarpropaganda der Zwischenkriegszeit immer wieder aufgegrif¬
fen wurden. Über ihre Authentizität herrschte kein Zweifel. Vor diesem Hintergrund
betrieben die Saarländer Politik, kämpften gegen die als Unrecht empfundene franzö¬
sische Besetzung bzw. die Völkerbundsregierung und ließen sich nicht zuletzt 1935
in ihrer Entscheidung beeinflussen45.
Am Vorabend der Französischen Revolution war das Gebiet des heutigen Bundes¬
landes hauptsächlich in das Kurfürstentum Trier im Norden, das Königreich Frank¬
reich im Westen, das Fürstentum Nassau-Saarbrücken auf dem Saarkohlensattel
sowie das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken im (Nord-) Osten parzelliert46. Die territo¬
riale Neuordnung des Grenzgebietes an der mittleren Saar bestätigte nach der Na-
poleonischen Ära jedoch nicht die vorrevolutionäre Grenze von 1792, sondern
übertrug im Ersten Pariser Frieden (30. Mai 1814) neben der Festung Saarlouis und
der Doppelstadt Saarbrücken-St. Johann auch den Großteil des saarländischen
Kohlengebietes an Frankreich. Sollte damit der Herrschaftsantritt der wiedereinge¬
setzten Bourbonen erleichtert werden47, so rief diese restaurative Konzession beim
Saarbrücker Bürgertum heftige Proteste hervor. Die Wellen der Entrüstung schlugen
um so höher, da die bisherigen Verlautbarungen aus Paris die feste Überzeugung
genährt hatten, daß zumindest die ehemals nassau-saarbrückischen Gebiete Preußen
einverleibt würden. Erst nach der Schlacht von Waterloo zeigten die siegreichen
europäischen Großmächte erheblich weniger Konzessionsbereitschaft gegenüber
Frankreich und schrieben im Zweiten Pariser Frieden (20. November 1815) jenen
41 Vgl. Brief von Neuraths an Frick (07.01.35), in: BA-R 43-1/256.
42 RGBl 1935/1, S. 66 ff.
44 Nach Gebietserweiterungen im Norden und Osten fand schließlich 1957 die „kleine Wiederver¬
einigung“, die zunächst politische, zwei Jahre darauf auch wirtschaftliche Rückgliederung des nach
dem Zweiten Weltkrieg teilautonomen Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland statt.
44 Vgl. zur politischen Geschichte des Reviers BELLOT; KLEIN: Geschichte des Landkreises Saarbrücken;
KLOEVEKORN: Preußischer Gebietsteil; PÖHLMANN: Bayerischer Gebietsteil.
47 Vgl. zur Problematik der Erinnerung das Kapitel „Das lebendige Band der Generationen“ in: HALB¬
WACHS, S.48-55.
46 Siehe hierzu die Karte in: Herrmann/ Sante. S. 27.
47 Vgl. SlEBURG: Geschichte Frankreichs, S. 248 f.
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