In seiner Frankophobie verzichtete der „Saar-Freund“ weitgehend auf Differenzie¬
rung; ungeachtet dessen, daß verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen in
Frankreich durchaus der Verständigung mit Deutschland aufgeschlossen gegenüber¬
standen, wurden „die Franzosen“ - seien es offizielle Vertreter der französischen
Außenpolitik, seien es Angehörige rechtsgerichteter Vereinigungen - pauschal über
einen Kamm geschoren. Scheinbare Bekenntnisse zur Aussöhnung oder gar die
Bereitschaft, sich mit dem nationalen Gegner „sine ira et Studio“ auseinanderzuset¬
zen. finden sich in dem Bundesorgan kaum. Typischer waren hingegen ostentative
Abgrenzungen419, und jeder noch so belanglose Zwischenfall und jedes Gerücht, das
zur Diskreditierung Frankreichs beitrug, bot willkommene Gelegenheit, das „gal¬
lische Gesindel“420 an den Pranger zu stellen.
Schon lange vor dem Einmarsch des „annexionslüsternen französischen Ländergei¬
ers“421 in das Ruhrgebiet hatte der Bund der Saarvereine zur Aufrechterhaltung und
Zementierung des Erbfeindbi Ides an der Saar einen entscheidenden Beitrag geleistet.
Frankreich wurde, wo immer es sich anzubieten schien, in die Rolle des Sündenbocks
gedrängt. Selbst für die drohenden Entlassungen infolge der Weltwirtschaftskrise
1931 galten in erster Linie Franzosen verantwortlich, welche auf Kosten des wirt¬
schaftlichen Ruins des Saargebiets ihre eigene Volkswirtschaft sanieren und politi¬
sche Vorteile erzwingen wollten422.
Die Abgrenzung von Frankreich setzte sich im Widerstand gegen die Sprache fort. Es
sei demütigend, so der „Saar-Freund“, sich als deutscher Saarländer offiziell als
„Sarrois“ bezeichnen lassen zu müssen, wie auch die zahlreichen französischsprachi¬
gen Straßenschilder an der Saar nicht zu verstehen seien42 '. Sofern es im Saarbrücker
Dialekt überhaupt französischstämmige Fremdwörter gäbe, stigmatisierten diese
Personen („Madamm“) und Zustände. Schließlich sei dem Saarbrücker seine eigene
Muttersprache zu wertvoll, um seinen Unmut kundzutun - in diesem Falle greife er
zu „Welschworten“424.
Der Bund der Saarvereine wirkte auf diese Weise der Aussöhnung der einstigen
Kriegsgegner bewußt entgegen und entwickelte sich zum Stachel in den deutsch¬
französischen Beziehungen. Regelmäßig rief er die Besatzungsmonate die Erinnerun¬
gen, um unter den (Exil-)Saarländern keine Sympathien für Frankreich aufkommen
419 Vgl. SF 1 (1920) 1, S. 2. Das Bedürfnis nach Abgrenzung war stärker, als es den tatsächlichen
kulturellen Gegebenheiten entsprochen hätte. So war beispielsweise das Verhältnis zwischen den
saarländischen und lothringischen Bergleuten auf den französischen Gruben bei weitem nicht so
schlecht, wie der SF seinen Lesern glauben machen wollte: Vgl. ROTH: La frontière franco-allemande
S. 134.
420 SF 2 (1921) 12, S. 164.
421 SF 5 (1924)3, S. 29.
422 Vgl. SF 12(1931) 12, S. 182; SF 13 (1932) 1, S. 5 ff.; SF 13(1932) 1, S. 165-169.
423 Vgl. SF 4 (1923) 17, S. 241. Daher protestierte der SF auch gegen französische Briefköpfe saarlän¬
discher Firmen: Vgl. SF 13 (1932) 14, S. 220 f.; SF 13 (1932) 16, S. 252.
424 Vgl. SF 5 (1924) 11, S. 166 f. Zur Methode, die Sprache zur Stigmatisierung des Gegners politisch
zu instrumentalisieren: Vgl. KOSELLECK: Feindbegriffe.
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