Kritische Stimmen wurden gegenüber der Königgrätzer Straße vor allem dann laut,
wenn sich Vogel in seiner pedantisch-bevormundenden Art wieder einmal im Ton
vergriffen hatte. Äußerungen, wie sie beispielsweise im Tätigkeitsbericht 1928
erhoben wurden, provozierten geradezu Proteste: Nach dem Ende der Ära Rault seien
die Verbindungen zum Saargebiet fester geworden und der Bund der Saarvereine
befände sich in enger Verbindung mit den politischen und wirtschaftlichen Führern
des Saargebiets, „die sich auch in dankenswerter Weise restlos in den Dienst unserer
Aufklärungsarbeit im Reiche gestellt haben.“* 302 * Die Quintessenz dieser Behauptung,
nicht die Saarvereine ordneten sich der saarländischen „Heimatfront“ unter, sondern
diese vertraue sich im Abwehrkampf der Führung des Bundes an, läßt die Rivalität
erkennen, die in den zurückliegenden Jahren unterschwellig herangereift war: Die
während der französischen Militärverwaltung und unter Rault Ausgewiesenen waren
bemüht, sich als moralische Instanz in Szene zu setzen, welche die Dimensionen und
weiterreichenden Konsequenzen des Saarkampfes am besten einzuschätzen wußte10’.
Derartige Selbstbeweihräucherung wollten die Zurückgebliebenen, die täglich mit der
Besatzungsmacht konfrontiert waren, nicht kommentarlos hinnehmen und zweifelten
ihrerseits die Kompetenz und Qualifikation der Vertriebenen in Saarangelegenheiten
an. So monierte Arnold Nagel. Chefredakteur der „Saarbrücker Zeitung“ von 1925
bis 1933, die aus dem Selbstverständnis des Vereins resultierenden Versuche, sich
zum Zensor der saarländischen Presselandschaft aufzuschwingen mit den Worten:
„Wir machen Politik - der Saarbund macht Propaganda“304.
3.3 Gegenpropaganda des Bundes der Saarvereine
3.3.1 Agitation gegen das Völkerbundsregime an der Saar
Neben seinen karitativen Initiativen und seinen Bemühungen, als Bindeglied zwi¬
schen Saar und Reich zu fungieren, war die Destabilisierung der gegenwärtigen
Rechtsordnung ein wichtiges Ziel des Bundes. Aus diesem Grunde durfte keine noch
so belanglose Maßnahme der Regierungskommission nach außen in einem positiven
Licht erscheinen. Durchaus vergleichbar mit der kommerziellen Werbung galt es, in
dem Maße, wie für die „deutsche Saar“ geworben wurde, mit ihr konkurrierende
Angebote wie die „französische Saar“ oder die „neutrale Saar" zu diskreditieren und
aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen. Kein Vortrag über die Saarfrage
wurde gehalten, welcher das Unrechtsystem nicht anprangerte, keine Publikation
erschien unter Federführung der Geschäftsstelle „Saar-Verein“, in welcher die
nationale Not der Saarländer nicht thematisiert worden wäre, und die unzähligen
Artikel im „Saar-Freund“ über die Verfehlungen des französischen Militärs, die
Vgl. Jahres-Rückschau 1928, S. 30; Die Tätigkeit 1929. S. 8.
Vgl. hierzu den Brief Posselts an die GSV (20.03.28), in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 4. Im
Abschlußband des SF charakterisierte Posselt dies folgendermaßen: „Es haben nicht nur die um die
Saar gekämpft, die bis zum letzten Kampftag an der Saar verweilen durften.“: POSSELT, S. 264.
"" Vgl. Briefe Nagels an Kraus (04.07.28 und 10.07.28), in: LA Saarbrücken. Saar-Verein 10.
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