Unternehmensstrategien290. Die ihm entgegengebrachten Schmeicheleien nahmen
schon vor 1933 byzantinische Züge an. wenn beispielsweise vom „Führer unserer
lieben Saarheimat“ oder dem „Herz des deutschen Freiheitskampfes an der Saar“ die
Rede war291. Es überrascht, daß der Verein nur verhältnismäßig wenig finanzielle
Zuwendung direkt von Röchling erhielt. Er machte sich zwar während der Inflation
für die weitere Finanzierung der Geschäftsstelle stark292, hielt den Betrieb durch
materielle Hilfslieferungen am Leben und öffnete dem Bund aufgrund seines Ein¬
flusses bei Wirtschaftsorganisationen wie dem „Reichsverband der deutschen
Industrie“ die Türen zu privaten Geldgebern, doch im Grunde vermittelte er eher
Kontakte, als daß er selbst bedeutende Zahlungen leistete. Vor allem deshalb wurde
er aus Dankbarkeit auf der Heidelberger Tagung 1928 zum Ehrenmitglied des Bundes
ernannt.
Um finanzielle Unterstützung bei staatlichen Stellen und privaten Spendern zu
erhalten, mußte die Geschäftsstelle „Saar-Verein“ den Eindruck erwecken, auch
anderen führenden Persönlichkeiten an der Saar als unentbehrlich zu gelten. Schein¬
bar anonym eingegangene Zuschriften, die der „Saar-Freund“ regelmäßig ab¬
druckte293, sollten diese Behauptung untermauern. Hilfreicher jedoch waren positive
Stellungnahmen saarländischer Persönlichkeiten, mit denen sich der Verein in den
alljährlich übersandten Geschäftsberichten schmückte. Während anfangs noch
saarländische Sozialdemokraten Aufrufe Unterzeichneten294 295, fehlten ihre Unter¬
schriften ab Ende der zwanziger Jahre auf Werbeschreiben der Saarorganisation. Im
bürgerlichen Lager hingegen hatte sich der Bund etabliert und war als Kooperations¬
partner in der Auseinandersetzung um die deutsche Zukunft des Saargebiets akzep¬
tiert. In vielen Fällen hatten dabei zweifellos persönliche Begegnungen anläßlich der
verschiedenen Saarkundgebungen im Reich geholfen. Die Liste der saarländischen
Sympathisanten reicht in einem Rundschreiben von Anfang 193229' von Vertretern
der saarländischen Wirtschaft wie dem Vorsitzenden des „Schutzvereins für Handel
200 Vg] SF 12 (193 t) 7. S. 104 f. Weitere Artikel Röchlings: SF 5 (1924) 20. S. 301 f.; SF 6 (1925) 14,
S. 226 f.; SF 7 (1926) 3, S. 40; SF 12 (1931) 22, S. 370 f.; SF 15 (1934) 18/19, S. 387 f. Vgl.
Aktennotiz Voigts (14.09.32), in: PA AA. II a Saargebiet, R 76.094, Für die Franzosen war Röchling
der Kristallisationskern der prodeutschen Propaganda im Saargebiet: Vgl. Brief Morizes an Außen¬
minister Herriot (08.10.32), in: MAE, Sarre 280.
291 Vgl. Brief der GSV an Röchling (02.04.32), in: BA-R 8014/844; SF 13 (1932) 22, S. 358; SF 14
(1933) 23, S. 446. Dies dürfte Röchlings Selbstverständnis entsprochen haben, da er sich als „spiritus
rector“ der saarländischen Politik stilisierte: Vgl. RÖCHLING.
292 Vgl. Briefe Röchlings an Außenminister Stresemann (21.08.23) und Reichsminister Fuchs (29.08.23),
in: PA AA, II a Saargebiet, R 76.091.
291 Vgl. beispielsweise: SF 8 (1927) 19, S. 361 f.
294 Vgl. SF7 (1926) 1, S. 5. Siehe hierzu Kap. 5.
295 Vgl. Rundschreiben der GSV (Januar 1932), in: StA Bonn, Pr 10/325. Die Akzeptanz spiegelte sich
auch in der Mitarbeit von Saarländern in den Gremien des Bundes wider: So gehörten dem Aufsichts¬
und Beratungsausschuß der GSV an: Hans Bongard (1928-1932), Leo Wentzel (1931-1932), Max
von Vopelius (1931-1932 ), Hermann Röchling (1931). Peter Scheuer (1931-1932) sowie die Tochter
Stumms, Bertha Gräfin von Sierstopff (1932). Siehe hierzu Dok. 7 im Anhang.
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