tionalsozialistischen „Machtergreifung“ feststellen, wo finden sich Kontinuitätslinien
und wie verbreitete der gleichgeschaltete Bund unter den neuen Rahmenbedingungen
sein Konzept der „Deutschen Saar“?
Als vergleichsweise gut erforscht kann die Vereinskultur des Kaiserreichs und der
Bundesrepublik gelten, während Ausprägungen des Vereinswesens in der Zwischen¬
kriegszeit weniger bekannt sind23. Ersten Ansätzen einer systematischen Untersu¬
chung wurden durch die nationalsozialistische „Machtergreifung“ ein Ende gesetzt.
Entsprechend lückenhaft ist daher auch die Forschungslage zur Vereinskultur wäh¬
rend des Dritten Reiches24. Als kleinster gemeinsamer Nenner verschiedener in der
Literatur angebotener Definitionen soll unter einem „Verein“ ein auf Dauer konzi¬
pierter freiwilliger Zusammenschluß von natürlichen und juristischen Personen zur
Erreichung mindestens eines gemeinsamen, alle Mitglieder verbindenden Ziels
innerhalb eines organisatorischen Rahmens verstanden werden25. Vereine erfüllen
unterschiedliche Funktionen - primär natürlich für das ihnen angeschlossene Mit¬
glied, aber ebenso für die Gesellschaft:
* sie befriedigen das Bedürfnis nach Freizeit, Geselligkeit und Geborgenheit;
* über die Mitgliedschaft in Vereinen kommuniziert das Individuum mit Menschen
auch außerhalb seines eigenen Arbeitsbereiches;
* die Vereinsmitglieder stützen sich wechselseitig bei der Umsetzung gemeinsamer
Interessen;
* Vereine stärken das Selbstwertgefühl der Einzelmitglieder als Teile einer größeren
Gemeinschaft;
* die Zugehörigkeit zu einem Verein kann das lokale Ansehen und den Einfluß von
Mitgliedern erhöhen, selbst wenn sie keine leitenden Funktionen innehaben;
* innerhalb der Ortsgruppen können Fähigkeiten erlernt und Fertigkeiten weiter¬
entwickelt werden;
* durch die Übernahme von Wertvorsteiiungen der Gruppe reduzieren sich kom¬
plexere Sachverhalte für die Mitglieder26.
Mit graduellen Abstufungen treffen diese Aussagen auch auf die Saarvereine der
Zwischenkriegszeit zu.
23 Vgl. WlRSCHING: Die Weimarer Republik, S. 93. Vgl. zur Weimarer Republik die grundlegenden
Arbeiten von BRACHER: Die Auflösung der Weimarer Republik; DERS./ FUNKE/ JaCOBSEN (Hrsg.): Die
Weimarer Republik 1918-1933; MOMMSEN: Die verspielte Freiheit; SCHULZ: Zwischen Demokratie
und Diktatur, Bd. 1-3; WEHLER: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4. S. 227-593 und S. 1028—
1093; WINKLER: Weimar.
24 Vgl. SlEWERT, S. 158-166. Zu den allgemeinen Forschungsdefiziten vgl. FOLTIN, S. 9-14.
23 Vgl. ebd,, S. 5-8; GORDON/ BabCHUK; Sahner, S. 14-27. Vgl. hierzu allgemein den im Nachklang des
Münsteraner Historikertags 1982 von Otto DANN herausgegebenen Sammelband „Vereinswesen und
bürgerliche Gesellschaft in Deutschland“. Zeitgenössische Stimmen zu Vereinen, Gruppen und
Verbänden: Vgl. BOEHM; VON Wiese, S. 405^62 und S. 482-507.
26 Vgl. die idealtypischen, auf Freizeitvereine bezogenen Ausführungen bei: Wehling, S. 90 f. Eine
ähnliche Typologie vgl. auch bei BÜHLER/ KANiTZ/ Siewert, allerdings erkennen sie ebenso dysfunk¬
tionale Elemente wie beispielsweise die Exklusivität von Vereinen,
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