die unmittelbare Not der Flüchtlinge zu I indem, ohne dabei auf der anderen Seite den
bodenständigen, traditionell land- und hausbesitzenden Saarländern Anreize zur
Auswanderung zu bieten. Neben den finanziellen Hilfen kümmerte sich die Ge¬
schäftsstelle „Saar-Verein" um die vorläufige Aufnahme und Unterbringung der
Flüchtlinge, organisierte die Zuteilung neuer Kleidung und bemühte sich um die
Anfechtung verhängter Ausweisungsbescheide. Denjenigen, die nicht mehr zurück¬
kehren konnten174, half sie beim Aufbau einer neuen Existenz durch Vermittlung bei
den amtlichen Arbeitsnachweisorganisationen175, bei Handels-, Gewerbe und Hand¬
werkskammern, durch die Zuteilung von Wohnungen und Mobiliar, durch die
Beschaffung von Gegenständen des täglichen Bedarfs und notwendigen Arbeits-
utensilien, beim Transport der Möbel und war beim Verkauf bzw. der Vermietung
der zurückgelassenen Häuser behilflich176. Das Reichsamt des Innern wurde ferner
aufgefordert, Maßnahmen gegen den systematischen Immobilienankauf durch die
Franzosen einzuleiten177 179, wie eine breite Öffentlichkeit auf die Ausweisungen auf¬
merksam gemacht werden sollte™. Auch die Ortsgruppen des Bundes waren in die
Flüchtlingsfürsorge eingespannt: Sie dienten im Idealfall als erste Anlaufstation,
vermittelten an die zuständigen Stellen weiter, traten bei Unterstützungszahlungen in
Vorlage und übernahmen vor Ort die soziale Integration der Vertriebenen. Ange¬
sichts des kontinuierlichen Anstiegs der Lebenshaltungskosten und wachsender
Arbeitslosigkeit in der Reichshauptstadt mußte die Geschäftsstelle „Saar-Verein'4
Sorge tragen, daß Berlin nicht auch noch von Saarflüchtlingen überschwemmt
wurde1 Entsprechend forderten Plakate auf den westdeutschen Bahnhöfen die in
174 Trotz verschiedener Amnestien konnten nach Ansicht der Reko nicht alle Ausweisungen rückgängig
gemacht werden. Nach dem Beamtenstreik rechtfertigte Rault dies gegenüber dem Völkerbund mit
der Begründung, daß anderenfalls die Autorität der ausweisenden Behörde untergraben worden wäre:
Vgl. Brief Raults an Generalsekretär Drummond (1! .05.21), in: Arch. SDN 19-27, Sous-Section Saar
Basin, R 102/11.557.
1 7 Vgl. Brief der GSV an die Flüchtlingsfürsorge des Bundes der deutschen Grenzmarken-Schutz-
verbände (30.06.20), in: BA-R 8014/973. ln den Bänden 974 und 978 finden sich zahlreiche Schrei¬
ben der GSV zur Wohnraum- und Arbeitsvermittlung, bei welcher Vogel auf seine Verbindungen zu
ihm bekannten Beamten der Bergbehörden zurückgriff. Namhafte Persönlichkeiten sollten in dieser
Phase die Arbeit des Vereins unterstützen: Vgl. Brief der GSV an den „Dichter Gerhard [sic!]
Hauptmann“ (06.07.20), in: BA-R 8014/1020.
176 Vgl. die Briefe der GSV an das PrMI (30.08.19 und 18.11.19), in: BA-R 8014/662, Brief der GSV an
die Flüchtlingsfürsorge des Bundes der deutschen Grenzmarken-Schutzverbände (27.08.21), in: BA-R
8014/973 sowie den gesamten Schriftwechsel in BA-R 8014/979.
177 Vgl. Brief der GSV an das RMI (21.07.19), in: BA-R 8014/662.
nK Aufgrund der Eingaben Vogels debattierte die Preußische Landesversammlung am 17.09.20 und der
Reichstag am 08.10.20 über die Lage der ausgewiesenen Beamten. Zu dieser Zeit versorgte Vögel die
Regierungsstellen mit aktuellen Informationen über den Stand der Ausweisungen: Vgl. die Briefe der
GSV an das AA (07.09.20 und 09.02.21, in: PA AA, II a Saargebiet, R 75.624 f.), die RfH (12.12.19,
in: BA-R 1603/2508) und die RVP (08.09.20, in: BA-R 1603/2511).
179 Bei 3,8 Millionen Einwohnern war die Versorgungslage in Berlin im ersten Nachkriegsjahr ohnehin
existenzbedrohend: Vgl. WlRSCHlNG: Vom Weltkrieg zum Bürgerkrieg?, S. 66 f.
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