einer seriösen Organisation mit hoher Fachkenntnis. Ähnlich wie die Gesamtorgani¬
sation kooperierte auch die Berliner Ortsgruppe mit vergleichbar orientierten Verbän¬
den und Vereinen; beispielsweise ging sie im Herbst 1923 eine Arbeitsgemeinschaft
mit acht anderen Landsmannschaften des Westens ein192 oder hielt den Kontakt zur
1872 gegründeten Burschenschaft Saravia193. Der Standortvorteil Berlin hatte aber
zugleich den Makel, daß die Ortsgruppe im Vergleich zu anderen Vereinigungen in
der Provinz recht exponiert war. Schon sehr früh wurde die französische Botschaft
auf die „Association des Berlinois originaires de la Sarre“ aufmerksam194.
Der Vorbildcharakter der Berliner Vereinigung nahm jedoch schon bald wieder ab.
Schlechte Zahlungsmoral der Mitglieder, sinkende Besucherzahlen trotz der persönli¬
chen Einladung bei Veranstaltungen und mangelnder Bezug des „Saar-Freund"4
vermitteln den Eindruck, daß die Ortsgruppe nach einer euphorischen Startphase
mehr mit sich selbst als mit ihren hohen Zielsetzungen beschäftigt war. Während die
Vortragspropaganda fast gänzlich zum Erliegen kam und die Berichte im „Saar-
Freund" immer belangloser wurden, häuften sich die Hinweise auf Veranstaltungen
anderer Verbände oder reine Unterhaltungsabende195. Schließlich wurde die Gruppe
nur noch zu saarspezifischen Veranstaltungen eingeladen, anstatt sie wie früher selbst
auszurichten196. Trotz aller Ermahnungen durch den Vereinsvorstand wurden die
Aktivitäten unpolitischer und rückte das gesellige Beisammensein zusehends in den
Vordergrund19 . Wenn der „Saar-Freund“ vielsagend ankündigte, das Fußballspiel am
19. Juni 1932 zwischen dem Saarbrücker Klub Saar 05 und dem Berliner Sportverein
1892 „in den Dienst unserer Saar-Aufklärungsarbeit44 stellen zu wollen, so bedeutete
das zu diesem Zeitpunkt lediglich, daß zahlreiche Mitglieder erscheinen und an¬
schließend mit den Fußballern feiern sollten198. Die Vorkämpferrolle wie noch zu
Anfang der zwanziger Jahre hatte die einst richtungsweisende Berliner Vereinigung
längst eingebüßt; andere Saarvereine entfalteten eine erheblich größere Aktivität.
192 Vgl. undatiertes Protokoll einer Sitzung vom 08.10.23, in: BA-R 8014/782. Schon im Januar 1921
wurde die Berliner Ortsgruppe im Vorfeld der Oberschlesienkampagne des DSB in eine derartige
Arbeitsgemeinschaft eingebunden.
193 Vgl. Brief der GSV an die „Saravia" (25.11.24). in: BA-R 8014/220.
m Wie der Chargé d’Affaires Henri Chassain de Marcilly Ende Januar 1920 seinem Außenminister
Millerand mitteilte, habe die Mitgliederversammlung wenige Tage nach Inkrafttreten des Versailler
Vertrages eine Entschließung verabschiedet, welche den Saarländern versprach, die Treue zu halten:
Vgl. Brief (30.01.20), in: MAE. Sarre 1. Vgl. hierzu SF 1 (1920) 2, S. 7 f. Mitunter konnte sich auch
die Anwesenheit eines Vertreters der Ministerien negativ auswirken, wenn beispielsweise der
Delegierte des AA im Mai 1923 das Auftreten Fetts kritisierte, der eine japanische Delegation
brüskiert habe: Vgl. Protokoll der Monatsversammlung vom 05.05.23 (06.05.23). in: PA AA, II a
Saargebiet, R 76.091.
195 Vgl. allein für die drei Jahre 1929-1931: SF 10 (1929) 6, S. 118; SF 10 (1929) 7. S. 136; SF 10
(1929) 8,S. 158 f.; SF 10(1929) 17,S.370;SF 10 ( 1929) 22, S. 484; SF 11 ( 1930) 2, S. 39; SF 11
(1930)4, S. 83; SF 12 (1931) 3, S. 47; SF 12 (1931) 19, S. 332.
196 Vgl. SF 11 (1930) 18, S. 346.
19' Bei den Ankündigungen der Stammtischabende fehlten nicht die Hinweise auf das günstige Bier.
l<iS Vgl. SF 13 (1932) 12, S. 190 f. Die Ortsgruppe organisierte immerhin Freiquartiere für die saarlän¬
dischen Fußballer und lud andere Berliner Landsmannschaften hierzu ein: Vgl. BA-R 8014/728.
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