I. Die Wissenschaften im Saarkampf 1926-1935
Den wissenschaftlichen Saarkampf führte vor allem die Saarforschungsgemein¬
schaft (SFG). Entstanden war sie 1926 als Vereinigung zur Belebung und Förde¬
rung wissenschaftlicher Arbeit in einer kulturell vernachlässigten und national
bedrohten Region. 1929 wandelte sie sich zu einem gelehrten Werkzeug des
preußischen Kultusministeriums in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um
die Saar. Fierausragende wissenschaftliche Ergebnisse der SFG waren die Inventare
saarländischer Kunstdenkmäler, die saarländische Sprachgeschichte und die Ge¬
schichte der katholischen Pfarreien. Die Herausgabe des Saar-Atlasses und der
Grundlagen des Saarkampfes1 markierte 1934 den geistigen und publizistischen
Höhepunkt der SFG. Hitlers ersten außenpolitischen Erfolg, die Rückgliederung des
Saargebietes Anfang 1935, feierte die SFG auch als den ihrer wissenschaftlichen
Aufklärungsarbeit und suchte sich daraufhin neue Ziele in Elsass-Lothringen.
Der Friede von Versailles warfeinen neuen Zankapfel zwischen Deutschland und
Frankreich: das Saargebiet, ein neues Territorium geschaffen aus Teilen der preußi¬
schen Rheinprovinz und der bayerischen Rheinpfalz. Es stand unter der treuhänderi¬
schen Regierung des Völkerbunds und wurde von einer fünfköpfigen Regierungs¬
kommission verwaltet. 15 Jahre nach Inkrafttreten des Versailler Vertrages sollte
die Bevölkerung des Saargebiets darüber entscheiden, unter welcher Souveränität
sie zu leben wünschte. Sie hatte die Wahl, den Status quo zu bewahren und beim
Völkerbund zu verbleiben, sich an Frankreich anzugliedern oder zum Deutschen
Reich zurückzukehren. Weder die Reichsregierung, noch Preußen oder Bayern
hatten administrative Handhabe über das neue Territorium. So blieben auch Staats¬
bürger des Deutschen Reiches aus der Regierungskommission des Saargebietes
ausgeschlossen. Frankreich besaß dagegen große Entscheidungsgewalt. Die Sitze
der Regierungskommission waren einem französischen, einem saarländischen
Mitglied und drei Angehörigen anderer Staaten als Frankreich oder Deutschland
Vorbehalten. Das französische Mitglied betrieb bis 1925 eine kaum verhohlene
Angliederungspolitik. Das Saargebiet wurde währungstechnisch und zollrechtlich
dem französischen Wirtschaftssystem angeschlossen. Im Besitz der staatlichen
Kohlengruben war Frankreich der größte Arbeitgeber des Saargebietes.2
HessHStA, 1150/63: Sante, Tätigkeitsbericht v. 26.1.1935, 3; cf. Santés Bericht via Emrich
an Bürckel über die wissenschaftlichen Forschungen der SFG v. 9.3.1935, 2.
Abschnitt IV„Saarbecken“ des Versailler Friedensvertrages: Von Versailles zum Zweiten
Weltkrieg: Verträge zur Zeitgeschichte 1918-1939, Hg. Erhard Klöss, dtv-dokumente (Mün¬
chen: dtv, 1965), 53-54; cf. Robert Herly, L 'introduction du franc dans la Sarre: Une expérience
monétaire, Cahiers sarrois 2 (Paris: Berger-Levrault, 1926), 201-04; Fr. Roth, „Espace sarrois“,
68; Günter Scholdt, „Die Saarabstimmung 1935 aus der Sicht von Schriftstellern und Publi¬
zisten“, Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend, 45 (1997), 170-200, hier 170-72.
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