Kaiserslautern und die im Annexionsgebiet errichteten Institutionen, das
Lothringische Institut und die Mittelstelle Westmark in Metz, konnten einen Teil
der in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Ihre Verdienste um die kulturelle und
ethnische Gleichschaltung des Gaues und die Germanisierung der Moselle
wurden von Gauleiter Bürckel ausdrücklich gelobt.7 Außer der Eindeutschung der
Außensiedlungs- und der Flurnamen unterstützte das Lothringische Institut die
Presse-, Schulungs- und Propagandaarbeit in der faktisch annektierten Moselle.
Weitere Projekte wurden nicht angegangen. Ein Grund hierfür war die chronische
personelle Unterversorgung. Es waren nie mehr als zwei wissenschaftliche
Vollzeitkräfte gleichzeitig am Lothringischen Institut tätig; 1942 bis in den
Sommer 1943 war Halber der einzige Wissenschaftler und zudem bis in den
Sommer 1942 mit der Instandsetzung des Institutsgebäudes ausgelastet. Die
Mittelstelle Westmark und das Kaiserslauterer Westmark-Institut hatten im Krieg
nur noch jeweils einen Wissenschaftler.
Die Haltung der deutschen Forscher zur nationalsozialistischen Annexions- und
Germanisierungspolitik in Lothringen war nicht einheitlich. Versuchen wir einige
Standpunkte zu verorten. Die Archivare des Staatsarchivs Metz blieben den
Werten wissenschaftlicher Aufrichtigkeit treu und verhielten sich loyal gegenüber
den Menschen in der Moselle. Sie hatten es einfacher, da sie nicht direkt von
Bürckels Zivilverwaltung abhingen, sondern von der Generaldirektion der Preußi¬
schen Staatsarchive. Dieses Kompetenzgerangel wirkte sich negativ auf das Ver¬
hältnis zwischen der Gauleitung und der Archivverwaltung aus und beeinflusste
auf der lokalen Ebene die nationalsozialistische Okkupations- und Ausbeutungs¬
politik; um sich Ernst Zipfel nicht unterordnen zu müssen, verzichtete Bürckel
sogar auf einen Archivalienraub in Paris. Für Zipfel erfüllten die Archivare in
Metz zwar die Forderungen der expansionistischen deutschen Westforschung,
namentlich in der Mitarbeit am „Westprogramm“ und im Zugriff auf die histo¬
risch und politisch interessanten Archivalien Frankreichs. Und gewiss betrach¬
teten sie Lothringen zuerst aus Reichsperspektive. Aber Aloys Ruppel verschwieg
nicht seine Bedenken gegen die Bürckelsche Vertreibungspolitik und Eugen Ewig
wahrte in allen seinen Arbeiten seine wissenschaftliche Integrität.
Daran schließt die Person Christian Halliers an. Er stand ohne Zweifel der national¬
sozialistischen Partei kritisch gegenüber und wollte seine konservativ-bürgerlichen
Grundüberzeugungen nicht auf dem Altar des deutschen Imperialismus opfern oder
Lothringen rückhaltlos an die skrupellose NS-Führung ausliefern. Aber ebenso
sicher war Halber ein antisemitisch kolorierter Franzosenhasser, der sich 1940
massiv dem Regime andiente und für die Aussicht auf eine Stelle im ehemaligen
Reichsland seine wissenschaftlichen Abhandlungen mit brauner Farbe sprenkelte.
In Metz halfen er und sein Lothringisches Institut bei der Eindeutschung der
Rede vor den alten Parteigenossen am 30.3.1941 in Kaiserslautem: HMP, G/Besprechungs-
belege, Mitarbeiter: [Emrich] an Mitarbeiter des Wml v. 10.4.1941.
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