unabhängig zu bleiben. Drittens war das Verhältnis von Bürckels Provinzwissen¬
schaften zur universitären Westforschung auf weite Strecken sehr schlecht. Eine
konstruktive Zusammenarbeit kam erst sehr spät zu Stande. Ein saarpfälzisches
Grenzlandinstitut hätte sich entweder den Professoren der WFG unterordnen oder
ohne jede akademische Betreuung auskommen müssen. Viertens war für eine
Saarbrücker Einrichtung kein Geld von der bayerischen Staatsregierung zu
bekommen. Das Gauinstitut musste in der Pfalz gegründet werden; Bürckel
begnügte sich mit der bescheideneren Kaiserslauterer Variante.
Die Arbeit der SFG war keine Arbeit im direkten Dienst des Nationalsozia¬
lismus.6 NSDAP-Mitglieder gab es in der SFG so gut wie keine, am wenigsten in
ihrer Führung (Bongard war zwar in der Partei, aber wohl eher aus Versehen).
Die SFG hielt sich von der Tagespolitik fern. Ihre öffentlichen Gehorsams¬
bezeugungen gegenüber der neuen Reichsregierung schlugen nicht direkt auf das
wissenschaftliche Werk durch. Fetzteres war aber schon immer an frankophoben
Ideen orientiert und von den deutschen auswärtigen Interessen bestimmt und
wurde ab 1933 zunehmend von der Idee und der Terminologie der nationalen und
völkischen Erhebung durchdrungen. Der Saar-Atlas wurde daher ein wissen¬
schaftliches Werk in nationalpolitischer Absicht, das die Beispiele von deutsch¬
französischen Beziehungen über die Grenze hinweg oder von französischen Ein¬
flüssen auf die Saar unterschlug. 1934 standen die SFG-Wissenschaftler Seite an
Seite mit Bürckels Nationalsozialisten im publizistischen Kampf um die Saar und
verliehen der meist offen mit Terrormaßnahmen drohenden Rückgliederungs¬
propaganda wissenschaftliche Fegitimation.
In der Pfalz wurde die den territorialen Interessen der bayerischen Staatsführung
gegenüber loyale, aber inhaltlich unabhängige Pfälzische Gesellschaft zur Förde¬
rung der Wissenschaften (PGFW) ab 1933 auf den Kurs des NS-Regimes
gebracht. Zuerst veränderte sich der Mitgliederstab der PGFW. Das Revirement
war radikal. Die Entlassung oder Verdrängung von fast der Hälfte der früheren
PGFW-Mitglieder ließ die anderen verstummen, wenn sie nicht ohnedies dem
nationalsozialistischen Gauleiter das Wort redeten. Die Forschungsabteilungen
erlebten eine gewisse Revision; neue Abteilungen wurden angeschlossen. Karl
Heinrich Roth-Futras zum Teil schon in der Weimarer Republik staatlich getragene
anthropologische Forschungen zur genetischen Struktur der pfälzischen Bevölke¬
rung oder der europäisch-afrikanischen Soldatenkinder unterstützten konkret die
verbrecherische Rassenpolitik des Regimes. Doch insgesamt spielten die neuen
Abteilungen nicht die zentrale Rolle, die ihnen 1933 zugedacht war, und sie
hielten sich nicht lange. Roth-Lutras Person war für die anderen Mitglieder der
Wissenschaftsorganisation unerträglich, seine Forschung zu kostspielig und ohne
großen wissenschaftlichen Nutzen. In seinem Fall wogen die wissenschaftlichen
6 M. Zenner, Parteien und Politik, 283.
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