1909 verfasste Barrés das Vorwort für die in Paris gegründete Zeitschrift Les
marches de 1 ’Est.'2I
Die große Zeit des Westmark-Begriffes begann in Deutschland mit dem Ersten
Weltkrieg.* 122 Die erste offizielle Einrichtung, die ihn im Namen trug, war die halb¬
staatliche Landgesellschaft Westmark, die aus militärisch-strategischen Erwägun¬
gen 1917 vom Reichswirtschaftsamt unter Federführung des Bürgermeisters von
Straßburg zur geplanten Ansiedlung von 3000 deutschen Bauernfamilien in der
besetzten Lorraine gegründet wurde. Hier wurde der Westmark-Begriff für die
Germanisierung französischer Gebiete gebraucht.12’ Nach dem Ersten Weltkrieg
war zudem zum ersten Mal seit über hundert Jahren der deutsche Westen bedroht.
Gebietsverluste an Belgien und Frankreich, die Entbindung Luxemburgs aus seinen
Verträgen mit dem Deutschen Reich, Entwaffnung bis fünfzig Kilometer östlich des
Rheins, militärische Besetzung durch alliierte Truppen, autonomistische oder offen
separatistische Bestrebungen links des Rheins und die Bedrohung der Reichs¬
einheit durch die alliierte Intervention im Ruhrgebiet schufen die Grundlagen für
die politische Aufheizung und breite Popularisierung des Schlagwortes West¬
mark: „Das Rheinland, la Rhénanie, konnte von der Terminologie her gesehen
auch französisch sein, die Westmark logischerweise nicht.“124 * Um die deutsche
und preußische Gesinnung der Rheinlande zu stärken, erschien ab März 1919 in
Köln die chauvinistische Zeitung Der Wächter am Rhein: Deutsche Stimmen aus
der Westmark, die sich bewusst in die Tradition von Arndts Zeitschrift Der
Wächter aus dem Jahre 1815 stellte. Hier stand , Westmark ’ für die militärisch
vom Reich amputierten und kulturell von Frankreich bedrohten Rheinlande.12:1 Mit
vergleichbarer kulturpolitischer Intention wurde 1921-23 in Köln die liberal¬
konservative Kulturzeitschrift Die Westmark: Rheinische Monatsschrift für Politik,
Wirtschaft und Kultur herausgegeben. Ebenfalls Die Westmark nannte sich die
Aachener Parteizeitung der Deutschen Volkspartei (DVP) 1926-30.126 * Im Deut¬
schen Volksverlag des späteren bayerischen Faschisten Ernst Boepples erschienen
1923 Adolf-Viktor von Koerbers Skizzen aus der mißhandelten Westmark. Ihr
Obertitel war Bestien im Land. Ihr Titelbild zeigte eine dieser Bestien: die affen¬
artige Fratze eines französisch behelmten Soldaten. In den Fängen trug er ein
gang Brücher, Peter Robert Franke (Saarbrücken: Phil. Fak. [1987]), 67-84, hier 68; Ernst
Robert Curtius, Maurice Barrés und die geistigen Grundlagen des französischen Nationalismus
(Bonn: Cohen, 1921), 179; cf. Lüsebrink, „Grenzziehung in den Köpfen“, 313-15.
Sylvia M. King, Maurice Barrés: La pensée allemande et le problème du Rhin, Bibliothèque
de la Revue de littérature comparée, 92 (Paris: Champion, 1933), 138-39.
122 Staab, „Anmerkung“, 231.
François Roth, La Lorraine annexée: Étude sur la Présidence de Lorraine dans l'Empire
allemand (1870-1918), Annales de l’Est: Mémoire, 50 (Nancy: UNancy-2, 1976), 632-35.
1-4 Fenske, „Rheinkreis“, 215.
„Was will ,der Wächter am Rhein‘1“ Der Wächter am Rhein: Deutsche Stimmen aus der
Westmark (23.3.1919); cf. HessHStA, 1150/46: Sante vertraulich an Zipfel v. 30.12.1938, 3.
12(1 Fenske, „Rheinkreis“, 215.
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