Letzte, was man von ihm sah, war, wie sein Unterstand von einem sowjetischen
Panzer eingedrückt wurde.423
Westmärkische Volkskunde
Anfang 1941 übernahm Bertram die volkskundliche Abteilung des Lothringischen
Instituts.424 Für wissenschaftliche Zeitschriften, aber auch für die Gaupresse425
schrieb er eine große Zahl volkskundlicher Aufsätze. Seine Aufsatzthemen waren
so breit gefächert, wie die Volkskunde Objekte hat: Von Bedeutung tragenden
Brotformen über spaßige Anekdoten und Baumkulte bis hin zu Hinkelsteinen im
Volksglauben.426 Aufschlussreich sind seine Titel, genauer: deren Wandlungen.
Gab Bürckel seinem Gau einen neuen Namen, aktualisierte Bertram seine Titel,
strich „saarpfälzisch“ und setzte „westmärkisch“.42" Ohne überarbeitet worden zu
sein, blieben seine Aufsätze somit auf der Höhe der Zeit. Da er die Einheit von
Brauchtum und Volkstum in Pfalz, Saar und Lothringen nicht ethnologisch be¬
glaubigen, sondern propagandistisch postulieren wollte, störte es Bertram wenig,
dass seine „westmärkischen“ Daten nicht im lothringischen Gauteil erhoben
worden waren.
In einem auf Pincks Liedersammlung zurückgreifenden Artikel fasste er die land¬
schaftlichen Besonderheiten des lothringischen Volksliedes in Inhalt, Melodie,
Sprache zusammen.428 Von Bertrams antisemitischen Artikeln war schon die Rede.
Bertram bevorzugte die praxisbezogene Volkskunde, die er als Teil der allgemeinen
nationalsozialistischen Volksforschung betrachtete: „Die kommende Volks¬
forschung soll vor allem unter dem Gesichtspunkt der Nutzbarmachung ihrer
Ergebnisse für den Augenblick und für spätere Zeit begonnen werden.“ Die
Volksforschung diene dem Gau Westmark „bei einer Neuordnung der betreffen¬
den Gebiete“ durch bevölkerungspolitische Untersuchungen und toponymische
Germanisierungen.429
423 LASp, P 21/111: Kompanieführer Lt. Wendt an Mutter Bertram v. 22.4.1942; cf. Stabsfeld¬
webel an LI v. 28.7.1942; Emrich an Dir. der LBA Kaiserslautern v. 16.11.1942: Offizielle
Vermisstenanzeige v. 28.7.1942.
424 Halber, „Tätigkeitsbericht“, 391.
428 Otto Bertram, „Türmer, Nachtwächter, Polizeidiener: Westmärkische Anekdoten“ und „Von
Fahrenden und Jahrmarktsleuten“, Metzer Zeitung am Abend (30.7. und 8./9.8.1942).
426 In den ADM (1W240 u. 241) befinden sich etwa 100 Manuskripte Bertrams, zumeist drei
bis vier Seiten lang, die wenigsten veröffentlicht.
427 ADM, 1W240: Bertram, „Flurnamen als Zeugen saarpfdlzischer westmärkischer Kriegsge¬
schichte“; „saarpfälzischer“ war von Bertram handschriftlich durch „westmärkischer“ ersetzt
worden.
428 Otto Bertram, „Das Volksliedgut in der Deutschen Westmark“, Westmärkische Abhandlun¬
gen zur Landes- und Volksforschung, 4 (1940), 211-39, hier 211-12.
429 ADM, 1W242, Mappe „Lorraine“: Otto Bertram, „Neue Volksforschung in Lothringen“, 2.
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