Im Februar 1941 wurde Bertram „zur Durchführung eines besonders wichtigen,
vom Gauleiter persönlich gewünschten wissenschaftlichen Auftrages“ ans Loth¬
ringische Institut nach Metz abgestellt,415 von wo aus er die Wörterbuchkanzlei in
Kaiserslautern weiter betreute.416 Im April gehörte Bertram der Arbeitsgruppe zur
Eindeutschung lothringischer Familiennamen an. 1941 war Metz eine triste Stadt.
Die Vertreibung der französischen Bevölkerung hatte die Straßen fast leer gefegt.
Bertram war einsam; seine Verlobung vom Januar 1939 war aufgelöst worden. Ab
und zu ging er ins Kino und bei Gelegenheit in den Zirkus. Doch meist saß er des
Abends alleine auf seinem Zimmer und arbeitete. Frauen lernte der gut aussehende
Junggeselle in Metz keine kennen. So kaufte sich Bertram eine Ausgabe der
Frauenzeitschrift Junge Dame und antwortete auf einige Kontaktanzeigen. Allzu
romantisch war der angehende Wissenschaftler allerdings nicht veranlagt; seine
Zeilen an das schöne Geschlecht tippte er mit der Schreibmaschine und behielt
die Durchschläge zurück. Entsprechend betrüblich waren die Antworten auf seine
postalischen Avancen.417
Unter den Schreiben, die Bertram am 23. Januar 1942 im Briefkasten fand, befan¬
den sich zwei offizielle Dokumente. Im ersten wurde ihm seine Ernennung zum
Studienrat und seine Berufung ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mitgeteilt.418
Das andere Schreiben kam vom Wehrbezirkskommando. Zweimal schon hatte
Bertram seine Freistellung vom Wehrdienst erreicht.4'1’ Beim letzten Mal konnte
Hallier den Wehrkreiskommandanten überzeugen, dass mit Bertram dem Lothrin¬
gischen Institut „wesentliche Berechtigungsgründe des Daseins genommen“
würden.420 Jetzt half dies alles nicht mehr. Bertram wurde als einfacher Schütze
zur Wehrmacht eingezogen421 und kam wenige Wochen später an die Ostfront.
Aus Russland sandte er der westmärkischen Presse Zeichnungen zu, die die Pri¬
mitivität des russischen Dorflebens zur Schau stellten.422 Am 27. März 1942
wurde Bertram bei den Kämpfen um den Ilmensee als vermisst gemeldet. Das
415 LASp, P 21/111: CdZ an Bertram v. 30.1.1941, cf. Bauerschmidt an RKSp v. 12.2.1941.
416 HMP, G/Besprechungsbelege, Mitarbeiter: Bertram an Kirschnerv. 21.5.1941.
41 Als halbleere Stadt, die ein „unangenehmes Gefühl“ hinterließ, schilderte Reinhart Ko-
selleck Metz; Gespräch vom 29.5.1999. ADM, 1W237: Dr. Hugo Becher an Bertram v.
31.[1.39], Hugo Götz an Bertram (Mannheim) v. 1.2.1939 [Poststempel], Bertram an Elfriede
Kunz (Köln-Klettenberg) v. 11.9.1941, Ida Bachem (Hochheim, Main) an Bertram v. 4.7.1941.
418 LASp, P 21/111: Bauerschmidt an Dir. Aufbauschule v. 14.1.1942.
41 ’ ADM, 1W237: Bertram an König v. 15.9.1941, cf. Bertram an Elfriede Vetter v. 26.8.1941.
4JI ADM, 1W237: Bertram an Margret Günther (Marienhagen/Edersau) v. 12.11.1941, cf.
Bertram an lse König (Ratibor) v. 11.11.1941.
4-1 LASp, P 21/111: Bertram an Gleberv. 23.1.1942; cf. ADM, 1W237: Bertram an Gustl Roth
(München) v. 22.12.1941; Obermann an d. Verf. v. 6.9.1999.
422 Otto Bertram, „Russisches Skizzenbuch“ I, IV, V, Metzer Zeitung am Abend (18./19., 24.,
28.4.1942).
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