wird heute nicht mehr mit mittelalterlichen Maßen gemessen. Die Aufgabe
besteht hauptsächlich in der Erziehung der Menschen zu einer nationalen Haltung,
in der Weckung des Volksgeistes, der aus sich heraus seiner Aufgabe bewusst
wird: die Grenzen des Reiches völkisch zu sichern und zu schützen.“8"
Die meisten deutschen Intellektuellen in der annektierten Moselle, schrieb Henri
Hiegel, hätten den Lothringern ein gewisses Verständnis entgegengebracht und das
Schlimmste verhindert. Das traf wohl auf Christian Halber und Aloys Ruppel zu.
Im Juni 1941 planten sie zusammen einen „Lothringer Kalender“ herauszugeben,
damit die Landschaftsbezeichnung „Lothringen“ nicht völlig vom Westmark-
Begriff verdrängt würde. Emrich, der lothringischem Partikularismus gegenüber
nicht gerade aufgeschlossen war, unterstützte dennoch dieses Vorhaben,80 81 mög¬
licherweise aus haushaltsrechtlichen Gründen, da das Reich für die deutsche
Kulturpolitik in den annektierten Gebiete große Summen zur Verfügung stellte.
Ramsauer, Fox und Christmann sind auf jeden Fall nicht zu jenen von Hiegel
beschriebenen verständnisvollen Wissenschaftlern zu rechnen; sie betrieben die
kulturelle Gleichschaltung Lothringens. In Metz schrieb Christmann im Auftrag
des Propagandadienstes des Auswärtigen Amtes, der Deutschen Informations¬
stelle (DIS), sein berüchtigtes Buch Der deutsche Charakter Lothringens, das mit
dem Ausruf schloss: „Das deutsche Lothringen dem Großdeutschen ReichZ“82
2. Das Archivwesen in der Westmark
Von den Wissenschaftlern im Gau wahrten die Archivare ideologisch und insti¬
tutioneil die größte Distanz zu Bürckel. Das lag vor allem an ihrer dienstrecht¬
lichen Unterstellung unter den Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive
Emst Zipfel. Da Bürckel auf die Archive in seinem Gau Einfluss gewinnen
wollte, kam es zu Spannungen zwischen Gauleitung und Archivverwaltung und
alle Versuche, Ende der 1930-er und Anfang der 1940-er Jahre das regionale
Archivwesen zu zentralisieren, scheiterten.
Reichsarchivplanungen seit der Saarahstimmung
Ein saarländisches Zentralarchiv hatte seit dem Ersten Weltkrieg auf der politischen
Agenda gestanden. Die entsprechenden Planungen der Völkerbundsregierung
blieben vage.83 Nach der Rückgliederung des Saargebiets und der Vergrößerung des
80 ADM, IW239, Mappe „Westmärkische Heimat“: Fox, „Die Westmark“, 7.
81 ADM, 1W200, LI: Halber an Ruppel v. 21.6.1941; H. Hiegel, „L’historiographie“, 150.
82 Emst Christmann, Der deutsche Charakter Lothringens, Schriften des Deutschen Instituts für
Außenpolitische Forschung und des Hamburger Instituts für Auswärtige Politik, 93 (Berlin:
Junker u. Dünnhaupt, 1942), 69; cf. H. Hiegel, „La germanisation“, 87; W. Alter, „Christ¬
mann“, 10; HMP, G/Allgemein 1941-42: Christmann an Karl Haiding (NSDAP-Reichsleitung)
v. 14.1.1942.
83 H.-C. Herrmann, „Grundzüge“, 218.
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