gut wie keine Aufzeichnungen aus der Wissenschaftsverwaltung des Reichs¬
kommissars für das Saarland oder des Reichsstatthalters in der Westmark und
Chefs der Zivilverwaltung in Lothringen; die Registratur des Generalreferates für
Kunstförderung, Volksbildung und Wissenschaft ging bei einem Fliegerangriff
Ende Juli 1942 verloren.74 Daher sind die unmittelbaren Einflüsse des Gauleiters
und seiner führenden Männer auf die wissenschaftliche Praxis im Gau nur in
seltenen Fällen belegt.
2. Methodische Überlegungen und Definitionen
Gliederung und Ideologiekritik
Für den Aufbau dieser Studie zur Wissenschaftsgeschichte in der Region Saar-
Pfalz-Moselle standen mir folgende Gliederungsmöglichkeiten zur Verfügung:
chronologisch nach den zeitlichen Abläufen der Forschungsprojekte im Gau und
nach den politischen und kulturellen Ereignissen; geographisch nach den drei
Gauteilen der Westmark; inhaltlich nach den Forschungsgegenständen und
-methoden und personell nach den einzelnen Forschern, ihren Funktionen und
Arbeiten. Einzeln war keine dieser Gliederungsarten anwendbar, sie mussten
miteinander kombiniert werden. Geographisch abgetrennt wurde die Wissen¬
schaftsgeschichte des Saargebiets von der der Pfalz, da beide Gauteile erst 1935
mit dem praktischen Ende der saarländischen Wissenschaftsinstitution, der SFG,
zusammenkamen. Daher widme ich der SFG das erste Kapitel. Das zweite Kapitel
zu den Wissenschaften im neuen, größeren Gau Saarpfalz und das dritte zu den
Wissenschaften in der Annexion der Moselle wurden chronologisch mit dem Jahr
1940 geschieden, da sich die wissenschaftliche Arbeit in der Westmark im
Zweiten Weltkrieg durch ihre politische Radikalisierung qualitativ von der in der
Saarpfalz 1935-40 unterscheidet. Zur besseren Lesbarkeit entschied ich mich in
vielen Fällen, die Darstellung von Forschungsunternehmen, die über die chrono¬
logische Grenze 1940 hinauswiesen, nicht zu zerreißen.
Im Vordergrund stehen die politischen Bezüge von Wissenschaft. Es wird vor
allem analysiert, wie Geistes- und Sozialwissenschaftler, die zum Teil aus den
völkischen wissenschaftlichen Projekten des wilhelminischen Kaiserreichs und
der Weimarer Republik herkamen, durch ihre Mitarbeit in den politisch begründe¬
ten Grenzraumarbeiten an der deutschen Westgrenze nach und nach wissen¬
schaftliche Positionen bezogen, von denen aus sie in den 1930-er Jahren leicht an
die Ideen und die Politik des Nationalsozialismus anschließen konnten. Sozial-
und Kulturwissenschaft ist nur schwerlich losgelöst von ihrem gesellschaftlichen
und politischen Umfeld. Noch seltener bleibt wissenschaftliche Arbeit frei von
den psychologischen Bedingungen, den lebensweltlichen Erfahrungen oder den
74 H.-W. Herrmann, „Speyer - Saarbrücken“, 230; ADM, 1 W205, Akte Ruppel: Aloys Ruppel
an Regpräs. Barth v. 2.9.1942.
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