Der offiziellen deutschen Politik waren die Hände gebunden. Um die Pfalz nicht
wehrlos dem französischen Zugriff preiszugeben, war guter Rat teuer. Einziges
Gegenmittel mit gewisser Aussicht auf Erfolg waren die politische Polemik und die
Kulturpropaganda. Gegen die Separatisten und Autonomisten, denen man Ver¬
schwörung mit dem französischen Feind und die Desintegration des Nationalstaates
vorwarf, wurde eine brutale Hetzkampagne entfesselt. Das Feindbild Vaterlands¬
verräter bestimmte die Polemik in der Pfalz der Zwischenkriegszeit und füllte den
in anderen Regionen Deutschlands von der Dolchstoßlegende besetzten Platz aus.
Kulturelle Aufbauarbeit tat Not, denn der nach dem Krieg einsetzende Zerfall kul¬
tureller Tätigkeit wurde links des Rheins als Vernachlässigung durch die deutsche
Heimat aufgefasst. Die Kulturpflege wurde zur Stärkung der nationalen Identität
und für die antifranzösische Abwehrarbeit eingesetzt. Die deutsche Kulturpropaganda
am Rhein und namentlich in der Pfalz verdankte viel dem französischen Vorbild.
Ihre Vertreter waren sich wohl bewusst, dass sie in diesem Fall vom Feind nur
lernen könnten.9 So forderten Bayern und das Reich großzügig kulturelle Einrich¬
tungen in der Pfalz: die Pfälzischen Hochschulwochen, die Pfälzische Landesbiblio¬
thek, das Pfälzische Wörterbuch, das Historische Museum, die landeskundliche
Zeitschrift Pfälzisches Museum - Pfälzische Heimatkunde und den Verband für
freie Volksbildung, und vergaben Stipendien an pfälzische Studierende.10
Doch auf wissenschaftlichem Gebiet war die Pfalz verwaist. Die einzige Universität
in der näheren Umgebung, Heidelberg, stand im Rechtsrheinischen und gehörte
zum Land Baden. Ebenso mangelte es eines wissenschaftlichen Landeskunde¬
institutes. Das Historische Museum der Pfalz unter Friedrich Sprater (1884-1952)"
und das Staatsarchiv zu Speyer unter Albert Pfeiffer (1880-1948) waren die
tik, bürgerliche Parteien und französische Besatzung in der Pfalz“, Die Pfalz unter französischer
Besatzung (1918/19-1930), Hg. Wilhelm Kreutz, Karl Scherer, Beiträge zur pfälzischen Ge¬
schichte, 15 (Kaiserslautern: IpGV, 1999), 123-43, hier 128-34; Gerhard Gräber, Matthias
Spindler, Revolverrepublik am Rhein: Die Pfalz und ihre Separatisten, Bd. 1: November 1918 -
November 1923 (Landau: PVA, 1992); Reimer, Rheinlandfrage und Rheinlandbewegung; Ger¬
hard Gräber, „Separatismus in Deutschland: Der Kampf um die Autonome Pfalz1“, Damals, 25
(1993), 9, 32-36; Erwin Bischof, Rheinischer Separatismus 1918-1924: Hans Adam Dortens
Rheinstaatbestrebungen, Europäische Hochschulschriften, 3, 4 (Bern: Lang, 1969); cf. Jacques
Bariety, „Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg“, id., Raymond Poidevin, Frankreich und Deutsch¬
land: Die Geschichte ihrer Beziehungen 1815-1975, Obs. Josef Becker, Johannes Haas-Heye
(München: Beck, 1982), 291-420, hier 335; Henning Köhler, „Französische Besatzungspolitik
1918-1923“, Franzosen und Deutsche am Rhein: 1789 - 1918 — 1945, Hg. Peter Hüttenberger,
Hansgeorg Molitor, Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte
Nordrhein-Westfalens, 23 (Essen: Klartext, 1989), 113-26. Einen patriotisch-persönlichen Zugang
bevorzugte Horst Osterheld, „Der Kampf um die Pfalz vor 75 Jahren: Ein fast vergessenes Stück
deutscher Geschichte“, Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, 21 (1995), 455-80.
’ Applegate, Nation, 126-29.
10 1925 flössen für kulturelle Zwecke vom RMbG 569 000 RM und aus den Zinsen des bayeri¬
schen Pfalzhilfefonds 433 000 RM in die Pfalz; Pfalz ... von 1918 bis 1930, 267; cf. Baumann,
„30 Jahre“, 12.
11 Karl Schultz, „[Vorwort zu Pfälzisches Museum: Festschrift des Historischen Museums der
Pfalz in Speyer zum 50jährigen Bestehen seines Neubaues]“, Mitteilungen des Historischen
Vereins der Pfalz, 58 (1960), xi-xl, hier xxiv.
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