Wie schwierig sich die Entscheidungsprozesse bis zur Einführung einer
örtlichen Gasbeleuchtung gerade in den Anfangsjahren gestalteten,
zeigt auch das Beispiel der Kreisstadt Aderig. Denn neben den betref¬
fenden Stadträten griffen auch die staatlichen Behörden wie die Land¬
ratsämter und die Regierung in die Genehmigungsverfahren ein. Zwar
unterlagen die Gemeinden bei der Gründung von Gaswerken nach den
Städte- und Gemeindeordnungen keinen Beschränkungen, dennoch
bestand aus gewerberechtlicher und finanzwirtschaftlicher Hinsicht ein
Genehmigungserfordernis. Da die Kommunen i.d.R. zur Finanzierung
der Gaswerke Anleihen aufnehmen mussten und bei der Verlegung der
Gasleitungen auch die dem Staat unterstehenden Provinzialstraßen be¬
nutzten, mussten sie die Genehmigung der Aufsichtsbehörden einho¬
len.118
Schon 1866 existierten in Vierzig Pläne, ein Gaswerk zu errichten. Der
Stadtrat schrieb die Anlage in Submission aus und wählte eine Kom¬
mission, die die eingegangenen Offerten prüfen sollte.119 Die Verwal¬
tung schaltete den Königlichen Bauinspektor Geißler in Trier ein, der in
einem Erläuterungsbericht die Anforderungen an eine Gasanstalt für
die Kleinstadt näher umriss. Da die Stadt - so sein Urteil - lediglich über
drei kleinere Fabrikanlagen, 60 Ladengeschäfte, 25 Handwerker und
nur 4.000 Einwohner verfüge, könne mit höchstens 250 Privatflammen
und 30 bis 40 Straßenlaternen gerechnet werden.120 Von daher seien
Projekte, die von einer erreichbaren Größenordnung von 2.500
Flammen ausgingen, unrealistisch und nicht weiter zu verfolgen. Ob¬
wohl zu diesem Zeitpunkt keine entscheidungsreife Vorlage existierte,
beschloss der Stadtrat, bei der Königlichen Regierung die Genehmi¬
gung einzuholen, eine Gasanstalt errichten und betreiben zu dürfen,
eine Anleihe in Höhe von 18.000 Talern aufzunehmen und in den Pro¬
vinzialstraßen Gasleitungen zu verlegen.121 Das Projekt verlief jedoch
im Sande, offensichtlich scheute selbst die Stadt das Risiko, ein
Gaswerk in einer solch bescheidenen Größenordnung zu errichten.
Nur zwei Jahre später, im November 1869, erhielt die Idee eines loka¬
len Gaswerks wieder Auftrieb, weil die Absicht bestand, in Vierzig eine
Heil- und Pflegeanstalt einzurichten, die mit Gas versorgt werden sollte.
Diesmal entschied der Stadtrat, ein Gaswerk nicht auf eigene
Rechnung, sondern von einem Unternehmer bauen und betreiben zu
118 Vgl. Stern (1965), S. 21
119 Stadt Vierzig: Stadtratssitzung vom 8.5.1866
120 LA Sbr. Dep. Stadt Vierzig 159: Erläuterungsbericht vom 15.2.1867
121 Stadt Vierzig: Stadtratssitzung vom 4.2.1867
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