Full text: 75 Jahre Saar Ferngas AG

Wie schwierig sich die Entscheidungsprozesse bis zur Einführung einer 
örtlichen Gasbeleuchtung gerade in den Anfangsjahren gestalteten, 
zeigt auch das Beispiel der Kreisstadt Aderig. Denn neben den betref¬ 
fenden Stadträten griffen auch die staatlichen Behörden wie die Land¬ 
ratsämter und die Regierung in die Genehmigungsverfahren ein. Zwar 
unterlagen die Gemeinden bei der Gründung von Gaswerken nach den 
Städte- und Gemeindeordnungen keinen Beschränkungen, dennoch 
bestand aus gewerberechtlicher und finanzwirtschaftlicher Hinsicht ein 
Genehmigungserfordernis. Da die Kommunen i.d.R. zur Finanzierung 
der Gaswerke Anleihen aufnehmen mussten und bei der Verlegung der 
Gasleitungen auch die dem Staat unterstehenden Provinzialstraßen be¬ 
nutzten, mussten sie die Genehmigung der Aufsichtsbehörden einho¬ 
len.118 
Schon 1866 existierten in Vierzig Pläne, ein Gaswerk zu errichten. Der 
Stadtrat schrieb die Anlage in Submission aus und wählte eine Kom¬ 
mission, die die eingegangenen Offerten prüfen sollte.119 Die Verwal¬ 
tung schaltete den Königlichen Bauinspektor Geißler in Trier ein, der in 
einem Erläuterungsbericht die Anforderungen an eine Gasanstalt für 
die Kleinstadt näher umriss. Da die Stadt - so sein Urteil - lediglich über 
drei kleinere Fabrikanlagen, 60 Ladengeschäfte, 25 Handwerker und 
nur 4.000 Einwohner verfüge, könne mit höchstens 250 Privatflammen 
und 30 bis 40 Straßenlaternen gerechnet werden.120 Von daher seien 
Projekte, die von einer erreichbaren Größenordnung von 2.500 
Flammen ausgingen, unrealistisch und nicht weiter zu verfolgen. Ob¬ 
wohl zu diesem Zeitpunkt keine entscheidungsreife Vorlage existierte, 
beschloss der Stadtrat, bei der Königlichen Regierung die Genehmi¬ 
gung einzuholen, eine Gasanstalt errichten und betreiben zu dürfen, 
eine Anleihe in Höhe von 18.000 Talern aufzunehmen und in den Pro¬ 
vinzialstraßen Gasleitungen zu verlegen.121 Das Projekt verlief jedoch 
im Sande, offensichtlich scheute selbst die Stadt das Risiko, ein 
Gaswerk in einer solch bescheidenen Größenordnung zu errichten. 
Nur zwei Jahre später, im November 1869, erhielt die Idee eines loka¬ 
len Gaswerks wieder Auftrieb, weil die Absicht bestand, in Vierzig eine 
Heil- und Pflegeanstalt einzurichten, die mit Gas versorgt werden sollte. 
Diesmal entschied der Stadtrat, ein Gaswerk nicht auf eigene 
Rechnung, sondern von einem Unternehmer bauen und betreiben zu 
118 Vgl. Stern (1965), S. 21 
119 Stadt Vierzig: Stadtratssitzung vom 8.5.1866 
120 LA Sbr. Dep. Stadt Vierzig 159: Erläuterungsbericht vom 15.2.1867 
121 Stadt Vierzig: Stadtratssitzung vom 4.2.1867 
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