Bankenkredit.41 Auch der zweite Vertrag mit der Sowjetunion vom 6.
Juli 1972 sah ein Tauschgeschäft vor, da die Sowjetunion weiteren Be¬
darf an Großrohren anmeldete. Das zusätzliche Kontingent belief sich
auf vier Mrd. Kubikmeter Erdgas, welches nach einer mehrjährigen
Anlaufzeit Ende der 70er-Jahre erreicht werden sollte. Im Rahmen der
Vereinbarung, bei welchem das sowjetische Außenhandelsministerium
und das Bundeswirtschaftsministerium mitwirkten, erhielt das sowjeti¬
sche Außenhandelsunternehmen Promsyrioimport von der Arbeitsge¬
meinschaft Mannesmann Export AG/Thyssen Stahlunion Export
GmbH nochmals 1,2 Mio. Tonnen geschweißte Großrohre.42
In Folge des Abschlusses der beiden Erdgas Verträge mit der Sowjet¬
union nahm die Dominanz der Ruhrgas AG als Vorlieferant in der
deutschen Gaswirtschaft weiter zu. Sie kontrollierte Mitte der 70er-
Jahre nicht nur den Großteil der niederländischen Erdgaslieferungen,
sondern fand als einziges bundesdeutsches Unternehmen Zugang zu
den sowjetischen Erdgasvorkommen. Mit dem Abschluss des dritten
deutsch-sowjetischen Erdgasvertrages im Jahre 1974 - 2,5 Mrd. Ku¬
bikmeter mit einer Laufzeit bis 2000 - und der Verlängerung der beiden
laufenden Verträge bis zum Jahr 2000 standen insgesamt 9,5 Mrd. Ku¬
bikmeter Erdgas aus der Sowjetunion unter der Kontrolle der Ruhrgas;
insgesamt verfügte das Unternehmen über ca. 70 Prozent der bundes¬
deutschen Erdgasimporte.
Die Komplexität des Verhandlungsgegenstandes unter Beteiligung
"branchenfremder" Konzerne, der Großbanken und der staatlichen
Regierungsstellen brachte es mit sich, dass kleinere Regionalversorger
nicht mehr eigenständig zu Abschlüssen gelangen konnten. Gerade die
kleineren Gasversorgungsunternehmen verfügten weder über enge
Verbindungen zu nahe stehenden Firmen des Maschinenbaus und der
Röhrenindustrie noch zu den Banken und den Bundesministerien. Sie
waren somit auf die Ruhrgas AG angewiesen, wollten sie Erdgas ver¬
treiben. Damit ergaben sich neue Abhängigkeiten, die der Essener
Konzern zum Ausbau seiner Position vor allem über seine Beteili¬
gungspolitik nutzte.
Ein weiterer Erdgasvertrag mit der Sowjetunion vom 20. November
1981 untermauerte die Führungsrolle der Ruhrgas AG und verstärkte
die Lieferabhängigkeit der Regionalversorger. Zwar nahm die Ruhrgas
AG zugleich die Bezugsinteressen der BEB Gewerkschalten Brigitta
41 GWF, 112. jg. (1971), Heft 8, S. 405; Ruhrgas (1994), S. 7: Schiffer (1994), S. 116
42 GWF, 112. Jg. (1971), Heft 8, S. 405; GWF, 113. Jg. (1972), Heft 9, S. 455 f.; Schel-
berger (1972), S. 485; Ruhrgas (1994), S. 7
415