B. Die neuere Entwicklung
1. Der Beginn der eigentlichen Erdgasära
Seit Anfang der 70er-Jahre schreitet die Internationalisierung der Gas¬
wirtschaft nicht zuletzt im Zuge der Entdeckung riesiger Erdgasvor¬
kommen in einzelnen europäischen Ländern, vor allem aber in Russ¬
land weiter voran. Die internationale Zusammenarbeit beschränkt sich
dabei nicht nur auf die Gasbeschaffung und -förderung, den Gastrans¬
port und den Gasabsatz, sondern geht mit der Herausbildung interna¬
tionaler Einkaufs-, Transport- und Verkaufskonsortien sowie Energie¬
konzernen einher. Die Erdgaswirtschaft folgt damit dem Beispiel der
Mineralölindustrie, die seit den 50er-Jahren weltweit sieben Mineralöl¬
konzerne beherrschen.
Einen entscheidenden Impuls zur Globalisierung der Erdgasmärkte gab
die Entwicklung in der Sowjetunion. Zwar besaß die ehemalige Welt¬
macht noch Anfang der 60er-Jahre keinerlei Interesse am Export von
Erdgas, da die Vorkommen vielmehr im Rahmen der Industrialisierung
des Landes eine tragende Rolle spielen sollten. Lediglich mit Polen und
der CSSR kamen Mitte der 60er-Jahre kleinere Lieferabkommen zustan¬
de. Der Siebenjahresplan von 1959 sah in diesem Zusammenhang eine
Verfünffachung der Förderung von etwa 30 Mrd. auf 150 Mrd.
Kubikmeter (1965) vor. Da Explorationsarbeiten indes ergaben, dass
die Sowjetunion über die größten Erdgasreserven der Welt verfügte,
trug sich das Land 1966 erstmals mit dem Gedanken, den gesamten
Ostblock, Westeuropa und selbst Japan mit Erdgas zu beliefern.39 Als
erhebliches Hemmnis dieses Vorhabens stellte sich aber neben den
schwierigen geologischen und klimatischen Förderbedingungen sowie
dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften der Umstand heraus, dass
die Sowjetunion die erforderlichen Förder-, Aufbereitungs- und Trans¬
porteinrichtungen - geplant waren u.a. 40.000 Kilometer neue Gaslei¬
tungen binnen fünf Jahren - aus eigener Kraft nicht bereitstellen
konnte. Aufgrund dieser Mängel blieben die Ergebnisse hinter den
Plananforderungen zurück. 1970 sollte die Gewinnung nach den staatli¬
chen Vorgaben bereits eine Größenordnung von 240 Mrd. Kubikmeter
erreicht haben, tatsächlich wurden aber nur 198 Mrd. Kubikmeter ge¬
fördert. Die Verträge mit Schweden (1967), Österreich (1968), Italien
39 GWF, 103. lg, (1962), Heft 11, S. 276 ff.; GWF, 105. Tg. (1964), Heft 21, S. 576;
GWF, 107. Jg. (1966), Heft 5
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