A. Die Anfänge der Erdgasversorgung
1. Einheimisches oder ausländisches Erdgas?
Sehr viel stärker noch als die Mineralölgase veränderte das gegen Mitte
der 50er-Jahre aufkommende Erdgas die Struktur der bundesdeutschen
Gasversorgung.1 Nachdem im Laufe der 50er-Jahre die seismischen
Verfahren verbessert und die Explorationsarbeiten in verschiedenen
Regionen Deutschlands intensiviert wurden, stießen Geologen auf eine
Reihe neuer Erdgasfelder. Hierbei lassen sich in der Bundesrepublik
drei geographische Zentren unterscheiden: Norddeutschland, der
Rheintalgraben zwischen Frankenthal und Darmstadt sowie die Mo¬
lasse, nordöstlich von München.2 Diese Erdgasfunde bildeten die Vor¬
aussetzung, das Gasangebot in den folgenden Jahren zu diversifizieren
und auszuweiten.3
1 Erste Erdgasfunde gab es in Deutschland bereits 1910 in Neuengamme in der Nähe
von Hamburg. Im Zuge von Wasserbohrungen für die Erweiterung der Grundwasser¬
versorgung der Hamburger Wasserwerke brachen erhebliche Erdgasmengen aus, die
sich entzündeten. Die täglich der Erdgasquelle entströmende Menge schätzte man auf
500 000 Kubikmeter, was in etwa dem doppelten Gasbedarf der Stadt Hamburg ent¬
sprach. 1912 verlegten die Hamburger Gaswerke eine 15 Kilometer lange Leitung zur
Eundstelle, woraus bis 1930 rund 180 Mio. Kubikmeter Erdgas nach Hamburg
strömten. Im Gegensatz zu den Hamburger Erdgasvorkommen, die zufällig gefunden
wurden, resultierten die Erdgasfunde in Bentheim an der niederländischen Grenze aus
systematischen Erprobungen, mit denen man bereits vor dem Zweiten Weltkrieg be¬
gann. 1944 verlegte die Ruhrgas AG von dort aus eine etwa 80 Kilometer lange Lei¬
tung zu den Chemischen Werken in Hüls. Nach Kriegsende wurden die Explorations¬
arbeiten fortgeführt und weitere Erdgasvorkommen in unmittelbarer Nähe der nie¬
derländischen Grenze entdeckt; GWF, 81. Jg. (1938), Heft 21, S. 367 f.; Kessler
(1961), S. 849; Asendorf (1984), S. 10; nach Stief (1954), S. 2 betrugen die Erdgasmen¬
gen sogar 220 Mio. Kubikmeter.
2 Vgl. Kessler (1961), S. 849
Zusammenstellung nach Laurien (1954), S. 15; Salm (1959), S. 1008; GWF, 97. Jg.
(1956), Heft 21, S. 720; GWF, 101. Jg. (1960), Heft 35, S. 889; GWF, 104. Jg. (1963),
Heft 43, S. 1255
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