Full text: 75 Jahre Saar Ferngas AG

nanzkralt der meisten Kommunen Rechnung trugen. Le Coutre unter¬ 
scheidet hierbei zunächst das gemischtwirtschaftliche Unternehmen, 
wobei das Unternehmen als Aktiengesellschaft gegründet wurde, die 
Aktien sich teilweise im Besitz der Öffentlichen Hand und teilweise im 
Besitz des privaten Kapitals befanden. Diese Unternehmensform ver¬ 
banden die Vorteile privatwirtschaftlicher Unternehmen und die öffent¬ 
lichen Interessen von Städten, Kreisen oder sonstigen Gebietskörper¬ 
schaften. Ein zweites Organisationsmodell bestand darin, dass das 
Gaswerk zwar der Gemeinde gehörte, diese das Gaswerk aber gegen 
eine feste oder variable Summe an eine Privatfirma verpachtete. Auch 
dieses Modell wollte privatwirtschafdiche Effizienz und öffentliche Be¬ 
lange miteinander kombinieren. Beim dritten Organisationsmodell be¬ 
teiligte sich die Kommune weder am Bau noch am Betrieb des Gas¬ 
werks. Sie überließ dies vielmehr einem Privatunternehmen, welches 
seinerseits eine feste Summe oder einen bestimmten Anteil pro ver¬ 
kauftem Kubikmeter Gas an die Kommune ab führte.156 Schließlich 
kam es als viertes Modell vor, dass eine Privatfirma ein kommunales 
Gaswerk aufkaufte oder pachtete, um es anschließend süllzulegen und 
die Gemeinde über ein benachbartes Zentralgaswerk zu versorgen. 
Auch in diesem Fall erhielt die Gemeinde einen festen oder variablen 
Geldbetrag. 
Im Zuge der Entwicklung neuer Betriebsformen und Organisations¬ 
modelle in der (Gruppen-)Gasversorgung bildeten sich auch unter- 
nehmenspolidsch neue Anbieter heraus. Während im 19. Jahrhundert 
zunächst ausländische Firmen den Gassektor beherrschten, in den nach 
und nach deutsche Firmen wie die Thüringische Gasgesellschaft, die 
Deutsche Kontinental-Gasgesellschaft oder die Allgemeine Gasaktien¬ 
gesellschaft eindrangen, ging die Entwicklung zur Gruppengasver¬ 
sorgung auch mit der Gründung neuer Gasunternehmen einher, die das 
Nachfragepotenzial der Kleingemeinden erkannten und sich speziell 
auf den Bau kleiner Gaswerke konzentrierten. Zu diesen Gesellschaften 
gehörte die Firma Karl Francke aus Bremen, die sich insbesondere auf 
den Bau von Gaswerken in einer Größenordnung von Gemeinden mit 
etwa 2.500 Einwohnern spezialisierte. Um die Finanzknappheit vieler 
Gemeinden zu umgehen, schlug Francke - wie schon der Fall 
Schiffweiler zeigte - die Gründung örtlicher Aktiengesellschaften vor, 
die die Investitionsmittel für den Bau der Anlagen aufbringen sollten. 
Auch übernahm die Firma auf Nachfrage die technische und 
kaufmännische Betriebsführung über eine kooperierende Firma, die 
156 Vgl. Le Coutre (1914), S. 107 
191
	        
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