B. Die GruppengasVersorgung
1. Die Anfänge der Gruppengasversorgung In Deutschland
Konzentrierte sich die Kokereigasversorgung auf diejenigen Industrie¬
gebiete, in denen Bergwerks- oder Hüttenkokereien überschüssiges
Kokereigas an benachbarte Ortschaften abgeben konnten, differierte
die Ausgangslage in den restlichen Teilen Deutschlands. Um 1900 ar¬
beiteten in Deutschland zwar bereits knapp 900 Gaswerke, wobei sämt¬
liche Städte mit mehr als 10.000 Einwohnern, aber auch die mei-sten
Mittelstädte und eine ganze Reihe von Kleinstädten und Gemeinden
über eine Gasversorgung verfügten.143 Dennoch hatte die Versorgung
noch keineswegs flächendeckend Fuß gefasst. Gerade die meisten klei¬
neren Ortschaften mit ca. 2.000 bis 3.000 Einwohnern, die Vororte
größerer Gemeinden und Städte sowie der ländliche Raum besaßen
oftmals noch keine Gaswerke; sie verblieben der Gaswirtschaft als zu¬
kunftsträchtige Absatzbereiche. Da die kleinen Gemeinden i.d.R. nicht
über ausreichende finanzielle Mittel verfügten, um ein eigenes Gaswerk
zu errichten, und darüber hinaus die Gestehungskosten des Gases bei
einer Erzeugungsmenge von allenfalls 100.000 Kubikmeter jährlich sehr
hoch gewesen wären, lag es nahe, die Gaserzeugung zu zentralisieren
und mehrere Orte von einer einzigen Anlage aus zu versorgen. Solche
zentralisierten Anlagen firmierten unter der Bezeichnung „Gruppen¬
gaswerke“ oder in Anlehnung an die Elektrizitätsversorgung als „Uber¬
land- (hoch druck) zentralen“.144
Wirtschaftlich empfahl sich die Zusammenfassung der Gaserzeugung
aus Gründen der Kostenminimierung. Während die Anlagekosten eines
kleinen Gaswerks bis zu einer Mark pro Kubikmeter jährliche Gaser¬
zeugung betrugen, lagen sie bei einem mittleren zwischen 50 - 80 Pfg.
und bei einem großen Gaswerk gar zwischen 25 und 50 Pfg. Auch die
Kosten für Zinsen und Amortisation der Anlage variierten je nach
Größenordnung zwischen acht und 6,5 Pfg. pro Kubikmeter. Stellt man
ferner in Rechnung, dass sich die durchschnittlichen Erlöse für einen
Kubikmeter Gas bei kleinen Gaswerken auf 16 Pfg. beliefen, so dienten
dort alleine die Hälfte der Einnahmen zur Amortisation des Anlageka¬
pitals.145 Des Weiteren erlaubte die Zentralisierung der Gaser-zeugung
eine höhere Auslastung der Produktionsanlagen und damit niedrigere
143 Yg| Schnabel-Kühn (1910), S. 48; auch Greineder (1914), S. 23 sowie Brunck-
horst (1978), S. 29
144 Ygj Geitmann (1910), S. 52 f.
145 Vgl. Blum (1911), S. 665; Schäfer (1917), S. 178
188