vor allem in kleineren Gemeinden höher.79 Wenn man aber berück¬
sichtigt, dass den Städten neben den reinen Bezugskosten für Kokerei¬
gas weiterhin auch Kosten für die Netzunterhaltung, für Zinsen, für die
kaufmännische Abwicklung sowie die Reservehaltung entstanden,
konnten die Kosten beim Fremdbezug sogar die bisherigen Selbstkos¬
ten von etwa 4,5 Pfg. überschreiten.80 Andererseits lohnte sich die Auf¬
gabe der Eigenerzeugung vor allem dann, wenn das bestehende Gas¬
werk veraltet oder an seiner Kapazitätsgrenze angelangt war. Bei einem
eventuellen Neubau wären die Preise durch die hohen Kapital- und
Zinskosten angestiegen. Von daher erschwerte die Vielzahl von Ein¬
flussfaktoren den finanziellen Vergleich der beiden Gasversorgungs¬
systeme, sodass sich pauschale Aussagen verbieten. Zu diesen Faktoren
zählten die Materialkosten (Ausgaben für Kohlen), die Arbeitskosten,
die Unterhaltungs- und Wartungskosten der Öfen, Apparate, Gasbe¬
hälter und des Rohrleitungsnetzes, die stark abhängig vom Alter der
Anlagen waren, sowie der Abschreibungskosten einerseits und von der
Höhe der Jahresproduktion und der Erlöse für die Nebenprodukte
Koks, Teer und Ammoniak andererseits.81 Genau genommen mussten
deshalb die Selbstkosten mit den Kokereigaspreisen zuzüglich aller
nach Einstellung der Eigenerzeugung anfallenden Kosten verglichen
werden. In manchen Fällen gingen die Städte deshalb zunächst dazu
über, Kokereigas nur zur Deckung des Spitzenbedarfs hinzuzukaufen,
die Eigenerzeugung aber aufrechtzuerhalten.
Politisch bewegte sich die Entscheidung zur Aufgabe der kommunalen
Gaswerks in einem breiten gesellschaftlichen Kontext, in dem die
kommunalwirtschaftliche Betätigung der Städte und Gemeinden zur
Disposition stand: Es ging um nicht mehr oder weniger als die
Grundsatzentscheidung, ob die Gemeinden mit der Aufgabe der Ei¬
generzeugung auch einen Teil ihrer Einfluss- und Gestaltungsmöglich¬
keiten aufgaben. Denn die Bedeutung der Gemeindegaswerke bestand
nicht nur darin, dass sie sich zu einer wichtigen Einnahmequelle im
kommunalen Finanzhaushalt entwickelt hatten. Auch gewährleisteten
sie die Umsetzung sozialpolitischer Zielsetzungen, etwa die Erschlie¬
ßung wenig lukrativer Versorgungsgebiete, die Staffelung der Tarife
( Im gleichen Artikel gibt der Autor die eigentlichen Selbstkosten mit 1,389 Pfg. an;
Figelmüller (1933), S. 236 schätzt den Gestehungspreis auf 1,8 bis 2,5 Pfg. pro Ku¬
bikmeter; Kemper (1930), S. 34 kommt wie Classen (1958), S. 62 zu Gestehungsko¬
sten von mindestens 2,0 Pfg. Die Zechen waren deshalb in der Lage, das Kokereigas
zu 3 bis 3,5 Pfg. pro Kubikmeter abzugeben.
80 —
81
Die Zahlenangaben sind entnommen: Gasfernversorgung (1911)
Petzold (1912), S. 81 f. hat das am Beispiel einer Stadt von 10.000 Einwohnern ex-
emplarisch durchgerechnet.
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