Energieträger gleich jedweder Art besitzen ähnlich wie etwa Wasser
und Boden eine außergewöhnliche Doppelrolle. Auf der einen Seite ge¬
hören sie zu den Naturstoffen. Der Mensch muss sich ihrer zur Befrie¬
digung seiner stofflich-materiellen Bedürfnisse - etwa nach Nahrung,
Wärme oder Licht - bedienen. Er greift auf diese Naturstoffe in einem
Austauschprozess zurück. Ausmaß und Form der Naturaneignung un¬
terliegen jedoch ständigen Veränderungen. Sie basieren vor allem auf
den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen und werden über
technologische Entwicklungen und kulturelle Standards vermittelt.
Auf der anderen Seite stellen Energieträger in den modernen Industrie¬
gesellschaften ein Produkt dar. Deren Nutzung beziehungsweise Nicht-
Nutzung hängt von der individuellen Verfügung über Geld ab: erst ge¬
gen Bezahlung kommt der Konsument in den Genuss des Energieträ¬
gers. Berücksichtigt man, dass Gas - ob als fossile Ressource oder als
Derivat anderer fossiler Energieträger — erst im 20. Jahrhundert umfas¬
send genutzt wird, ist auch die eigentliche Gas Versorgung ein Produkt der
Industrialisierung: Im Zuge dieses Prozesses treten an die Stelle in der
Energiebeschaffung mehr oder weniger autarker Wirtschaftssubjekte
Unternehmen privatwirtschaftlicher oder auch kommunaler Natur, die
den Energieträger und Lebensstoff Gas den Verbrauchern als Produkt
zur Verfügung stellen. Hierfür müssen diese i.d.R. ein Entgelt entrich¬
ten. Die konkrete Ausgestaltung der Versorgung unterliegt dauernden
Veränderungen der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen
Rahmenbedingungen.
Aus diesem zentralen Spannungsfeld zwischen dem Lebensstoff Gas,
der nicht alleine wirtschaftlichen Kriterien unterliegt, sondern ein Teil
der Daseinsvorsorge ausmacht, und dem Wirtschaftsgut Gas, das den
Maximen von Gewinnmaximierung oder zumindest Kostendeckung
unterliegt, beziehen die Gaswirtschaft wie auch andere Energieträger
ihren politischen und auch wissenschaftlichen Stellenwert. Betrachtet
man weiterhin die heutige Struktur der Gasversorgung nicht alleine an¬
hand des Status-Quo, sondern aus ihrer historischen Entwicklung, und
schlägt man den Bogen vom "Was war?" zum "Was ist?", ist damit das
Forschungsfeld von "Umweltgeschichte" in einem sehr weitgehenden
Sinn umrissen. Einer "Umweltgeschichte", die sich jedenfalls nicht auf
die Aneinanderreihung von Umweltschäden, Umweltrisiken und Um¬
weltbedrohungen in der Vergangenheit beschränkt. An den Schnitt¬
punkten von Ökologie und Ökonomie, von Lebenselement und Ware
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