2.3 Von den Übergangsschwierigkeiten zur Stagnationskrise 1959-1963
2.3.1 Strukturproblerne in der Übergangszeit
Bereits die Analyse der Übergangszeit aus konjunktureller und wirtschaftspolitischer
Perspektive hat die Bedeutung des Sonderregimes relativiert, ln strukturpolitischer
Perspektive ist nun interessant, daß die für die weitere Entwicklung der Saarwirt¬
schaft besonders wichtigen Sektoren gar nicht oder zumindest nicht primär von den
Maßnahmen zur Ausgestaltung der Eingliederung erfaßt wurden. Weitgehende
Einigkeit herrscht in der Literatur darüber, daß die Kohlewirtschaft sowie die eisen-
und stahlproduzierende Industrie von den Maßnahmen der Übergangszeit weniger
direkt betroffen waren als andere Sektoren.111 In ähnliche Richtung gehen diejenigen
Ansätze, welche die Hauptprobleme der saarländischen Wirtschaft mit den durch die
Auswirkungen vergangener nationaler Politiken bedingten Defiziten erklären zu
können glaubten. Als besonders wichtig wurde hierbei das Investitionsdefizit der
saarländischen Wirtschaft eingeschätzt, das praktisch in allen Untersuchungen und
sonstigen Äußerungen nachdrücklich betont wurde.112 Weiterhin wurde die Verkehrs¬
lage oder die durch Kriegseinwirkungen oder die politische Entwicklung in der
Vergangenheit ausgelösten Sonderentwicklungen genannt.* 1 11'1
Nach diesem Ansatz ist die spezielle ökonomische Entwicklung im Saarland als
regionalspezifischer Niederschlag säkularer Trends in Westeuropa seit dem Zweiten
Weltkrieg zu verstehen. Die Schließung erster Grubenstandorte im saarländischen
Bergbau noch im Jahre 1958114 stellte eine Reaktion auf die sich schnell verändern¬
In Zur Untemehmensführung der Saarbergwerke in der Übergangszeit siehe: Dörrenbächer, Entwicklung,
S. 206ff. Mit einer umfassenden Einordnung in die saarländische Wirtschaftsstruktur ders., Ferdinand
Bierbrauer u. Wolfgang Brücher, The Extemal and Internal influence on Coal Mining and Steel lndustry
in the Saarland / FRG, in: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie 32 (1988), S. 209-221, hier: S. 210. Sehr
deutlich verfolgt diese Interpretation der Leiterder Abteilung Außenhandel der IHK des Saarlandes, Peter
Weiant, Das Saarland lebt vom Export, in: Die Saarwirtschaft. Zwischenbilanz nach der Wiedereinglie¬
derung (= Der Volkswirt 11 (I960), Beilage), S. 10-12. Ähnlich auch IHK (Hg.), Auswirkungen, S. 4.
Ebenso Wilfried Loth, „Ein vertracktes Gelände“. Das Bundesland Saarland 1957-1989, in: Das Saarland
- Der Chef der Staatskanzlei (Hg.), Saarland, S. 111-140, hier: S. I 15.
1 i2 Diese These durchzieht in unterschiedlicher politischer Bewertung praktisch die ganze Saar-Literatur,
am deutlichsten vielleicht zunächst in den gegenüber der saarländisch-französischen Wirtschaftsunion
kritisch eingestellen Arbeiten: Werner Bosch, Wirtschaftliche Struktur und Volkseinkommen des Saar¬
landes, 2 Bde. Mainz 1953; ders., Die Saarfrage. Eine wirtschaftliche Analyse, Heidelberg 1954 (=
Veröffentlichungen des Forschungsinstituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz 4), hier: S. 40;
Fritz Hellwig, Saar zwischen Ost und West. Die wirtschaftliche Verflechtung des Saarindustriebezirks mit
seinen Nachbargebieten, Bonn 1954 (= Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde
der Rheinlande der Universität Bonn), hier: S. 42. Die entgegengesetzte Position vertrat - allerdings
weitgehend folgenlos - wohl nur Buddeberg, Verlagerung, hier: S. 85, der einen von dem der Bundesre¬
publik nicht zu stark abweichenden Ausrüstungsstand konstatierte. Interessant ist, daß diese Perspektive
praktisch nicht weiter aufgegriffen wurde, handelte es sich bei der Arbeit von Buddeberg doch immerhin
um ein vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten.
11' Einen ausführlichen Überblick über den Expertendiskurs der Zeit zu diesen beiden Themen erlaubt
Droege, Beiträge, passim.
114 Zu den Einzelmaßnahmen vgl. Saarbergwerke AG (Hg.), 25 Jahre, S. 17ff.; Helmut Frühauf, Eisenindu¬
strie und Steinkohlenbergbau im Raum Neunkirchen/Saar, Trier 1980, S. 243ff.; mit stark statistischem
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