der Zahlen zeigt außerdem, daß besonders der Bergbau trotz der beginnenden Um¬
strukturierung und der Absatzprobleme keineswegs von einer aktiven Arbeitsmarkt¬
teilnahme absah: Die zunehmende Überalterung der Belegschaft führte dazu, daß
weiterhin viele Berufsanfänger von den Gruben angeworben wurden. Trotzdem
sank der Anteil des Bergbaus sowie der gewerblichen Wirtschaft an der Beschäfti¬
gung im Saarland insgesamt während der Übergangszeit gegenüber 1950 deutlich,
nämlich um 5,7 Prozentpunkte. Dagegen erhöhte sich der Anteil der nichtgewerb¬
lichen Sektoren beträchtlich von 26,4 auf 30,7 %.7*
2.2.2 Die Steuerungsversuche der Saarpolitik
Obwohl somit die Übergangszeit schon in der ökonomischen Situation fühlbare,
wenn auch schwer interpretierbare Veränderungen auslöste, ist ihre Bedeutung für die
Struktur politischer Entscheidungen sehr viel höher einzuschätzen. Mit dem offiziel¬
len Beginn der Übergangszeit am 1. Januar 1957 veränderte sich die politische
Zuständigkeit für die Ausgestaltung des saarländischen Sonderregimes: Waren
bislang die meisten Verhandlungen und Maßnahmen auf internationaler Ebene er¬
folgt, gew'ann nun der unmittelbare Machtbereich der Landesregierung an Bedeutung.
Zum Teil schlug sich dies auf das Parlament als Ort der politischen Auseinanderset¬
zung nieder. 9 Nach Ansicht zeitgenössischer Beobachter kam dem sogenannten
Gesetz über steuerliche Maßnahmen, das bereits in den Verhandlungen über das
Eingliederungsgesetz konzipiert worden war*0 und als das entscheidende Instrument
saarländischer Politik zur Beeinflussung der saarländischen Wirtschaftslage gedacht
war,*1 die höchste Bedeutung zu.*2 Saarländische Unternehmen sollten in die Lage
zahlen 9/10 (1957/58), S. 12 und S. 17.
Ebd., S. 14. Bei der öffentlichen Berufsberatung suchten im Jahr 1959 so wenige Jugendliche wie noch
nie Rat, Saarländische Bevölkerungs- und Wirtschaftszahlen 11/12 (1959/60), S. 14; vgl. hierzu auch: Stat.
Amt d. Saarl. (Hg.), Berufsberatung - Lehrstellenvermittlung im Jahre 1957, Saarbrücken 1958 (= SiZ,
Sonderh. 4), bes. S. 7ff.
N Das Statistische Landesamt verglich die Beschäftigungsentwicklung der Jahre 1959/60 sogar mit den
Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 1927/28, Saarländische Bevölkerungs- und Wirtschaftszahlen
11/12(1959/60), S. 18 und S. 23.
7q In gewissem Sinne könnte dieser Vorgang als Re-Etablierung des früheren Verhältnisses von Regierung
und Parlament verstanden werden, das - wie in der Bundesrepublik - von einem stärker dualistischen Zug
geprägt war, vgl. Ludger Gruber, Die CDU-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen 1946-1980. Eine
parlamentshistorische Untersuchung, Düsseldorf 1998 (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 31),
S. 378ff. Dagegen ist von der von Gruber in den frühen 60er Jahren festgemachten Funktionsausweitung
des Parlamentarismus hin zu einem integrierten Bestandteil des Verhandlungssystems der sozialen
Demokratie an dieser Stelle noch nichts zu spüren.
s<l LASB StK Kabinettsregistratur, Anlage MW, Kabinettsvorlage Wirtschaftsministerium v. 20.1 1.56.
M Siehe hierzu die ausführliche Begründung von Adolf Blind zu dem Gesetz in erster Lesung, LTDS, 3.
WP, Abt. 1,31. Sitzung v. 18.3.57, S. 855ff
x2 Interessanterweise fand das Gesetz über die DM-Eröffhungsbilanz praktisch keine Berücksichtigung,
obwohl die Währungsreform und die DM-Eröffnungsbilanz im Deutschland des Jahres 1948 als gra¬
vierender Wettbewerbsvorteil angesehen wurden und in der zeitgenössischen Debatte um die Einbindung
des Saarlandes in die französisch-saarländische Wirtschaftsunion eine wichtige Rolle gespielt hatten, vgl.
Oswald Hager, Die Frankeneröffhungsbilanz im Saarland und die DM-Eröffhungsbilanz. Ein kritischer
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