Weg der Eingliederung über eine Änderung der Verfassung des Saarlandes „bei der
derzeitigen Stärke der Heimatbundparteien immerhin ein gewisses Risiko“ darstelle
und daß daher einem einfachen Beschluß der Vorzug zu geben sei. Gleichzeitig
wurde erörtert, wie man durch geschickte Formulierung des Eingliederungsgesetzes
eine zu starke Vertretung der CVP im Bundestag verhindern könnte.15 Und auch in
wirtschaftlicher Hinsicht wiesen schon die frühe Stellungnahme des Finanzministeri¬
ums, besonders aber das Mitte November 1956 verabschiedete Memorandum der
Regierung zur Begründung von Finanzhilfen des Bundes an das Saarland16 eine Fülle
von sehr differenzierten Argumenten und Sachfeststellungen zur saarländischen
Situation und zu den Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung auf.17 18 Bereits hier
konnte aber der in der Öffentlichkeit wie in der Regierung diskutierte, weitreichende
Schutz der saarländischen Wirtschaft vor direkter Konkurrenz durch deutsche Unter¬
nehmen nicht vollständig durchgesetzt werden.IS
Bei den Verhandlungen über das Eingliederungsgesetz dominierte eine außerordent¬
lich differenzierte, von technokratischer Expertensicht bestimmte Perspektive; die
hier zu klärenden rechtlichen Fragen reichten aber weit über die juristische Bedeu¬
tung im engeren Sinne hinaus: Zwar war vor allem die schrittweise Angleichung von
saarländischen Rechtsvorschriften an das deutsche Vorbild und die Außerkraftset¬
zung von saarländischen bzw. die zeitweise Inkraftsetzung von deutschen Sonder¬
regelungen zu klären. Diese Fragen waren aber eng gekoppelt an Sonderrechte von
Saar-Landtag und Saar-Regierung während der Übergangszeit, weil hierzu ein
ansonsten im Grundgesetz der Bundesrepublik nicht vorgesehenes, zeitweises Wei¬
terbestehen von konkurrierenden rechtlichen Regelungen nötig war. Beispielsweise
hatte die Landesregierung - v.a. die Minister Blind und Conrad - bereits zu Beginn
der Saarverhandlungen umfangreiche Vorarbeiten zur Weiterführung des saarlän¬
15 LASB AA 1721, Stellungnahme des Innenministeriums zu rechtlichen Fragen des Eingliederungs¬
gesetzes v. September 1956. An diesem Punkt setzten sich die saarländischen Vertreter übrigens durch:
Mit der Einführung der Möglichkeit von Listenverbindungen anstelle eines reinen Proporz-Systems war
es möglich, die Zahl der CVP-Vertreter auf zwei zu reduzieren, siehe auch: Landtag des Saarlandes,
Drucksachen, 3. Wahlperiode (im folgenden zitiert als LTDS, 3. WP), Abt. I, 28. Sitzung v. 4.1.57.
i(I LASB StK Kabinettsregistratur, Anlage MW, Kabinettsvorlage Wirtschaftsministerium v. 20.11.56.
Besonders diese Vorlage enthält eine lange Auflistung von Detailanalysen, die darauf schließen lassen, daß
sie in enger Kooperation mit dem Statistischen Landesamt und wohl auch mit den Wirtschaftsvertretungen,
v.a. wohl der IHK, erarbeitet worden sind. Publiziert wurde das Memorandum als Regierung des Saar¬
landes (Hg.), Memorandum der Regierung des Saarlandes an die Bundesregierung vom 13. November
1957, Saarbrücken 1957.
Die Bandbreite der Themen reichte von Analysen der möglichen Folgen des Saarvertrags über detailrei¬
che Darstellungen der künftigen Wettbewerbssituation bis hin zu detaillierten Feststellungen über In¬
vestitionsrückstände, Produktionsbedingungen und Absatzchancen der Industrie im Saarland.
18 Zuletzt hierzu: Industrie- und Handelskammer des Saarlandes (Hg.), Forderungen der Saarwirtschaft zur
Rückgliederung, Saarbrücken 1956, S. 16. Ähnliche Forderungen zur Ausdehnung der Schutzfrist wurden
auch von der saarländischen Regierung vorgetragen, siehe: LASB StK 1714, Kabinettsprotokoll v.
6.1 1.56, scheiterten aber bereits kurz darauf am Widerstand Bonns, siehe: LASB StK 1714, Kabinetts¬
protokoll v. 14.11.56.
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