Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970

Weg der Eingliederung über eine Änderung der Verfassung des Saarlandes „bei der 
derzeitigen Stärke der Heimatbundparteien immerhin ein gewisses Risiko“ darstelle 
und daß daher einem einfachen Beschluß der Vorzug zu geben sei. Gleichzeitig 
wurde erörtert, wie man durch geschickte Formulierung des Eingliederungsgesetzes 
eine zu starke Vertretung der CVP im Bundestag verhindern könnte.15 Und auch in 
wirtschaftlicher Hinsicht wiesen schon die frühe Stellungnahme des Finanzministeri¬ 
ums, besonders aber das Mitte November 1956 verabschiedete Memorandum der 
Regierung zur Begründung von Finanzhilfen des Bundes an das Saarland16 eine Fülle 
von sehr differenzierten Argumenten und Sachfeststellungen zur saarländischen 
Situation und zu den Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung auf.17 18 Bereits hier 
konnte aber der in der Öffentlichkeit wie in der Regierung diskutierte, weitreichende 
Schutz der saarländischen Wirtschaft vor direkter Konkurrenz durch deutsche Unter¬ 
nehmen nicht vollständig durchgesetzt werden.IS 
Bei den Verhandlungen über das Eingliederungsgesetz dominierte eine außerordent¬ 
lich differenzierte, von technokratischer Expertensicht bestimmte Perspektive; die 
hier zu klärenden rechtlichen Fragen reichten aber weit über die juristische Bedeu¬ 
tung im engeren Sinne hinaus: Zwar war vor allem die schrittweise Angleichung von 
saarländischen Rechtsvorschriften an das deutsche Vorbild und die Außerkraftset¬ 
zung von saarländischen bzw. die zeitweise Inkraftsetzung von deutschen Sonder¬ 
regelungen zu klären. Diese Fragen waren aber eng gekoppelt an Sonderrechte von 
Saar-Landtag und Saar-Regierung während der Übergangszeit, weil hierzu ein 
ansonsten im Grundgesetz der Bundesrepublik nicht vorgesehenes, zeitweises Wei¬ 
terbestehen von konkurrierenden rechtlichen Regelungen nötig war. Beispielsweise 
hatte die Landesregierung - v.a. die Minister Blind und Conrad - bereits zu Beginn 
der Saarverhandlungen umfangreiche Vorarbeiten zur Weiterführung des saarlän¬ 
15 LASB AA 1721, Stellungnahme des Innenministeriums zu rechtlichen Fragen des Eingliederungs¬ 
gesetzes v. September 1956. An diesem Punkt setzten sich die saarländischen Vertreter übrigens durch: 
Mit der Einführung der Möglichkeit von Listenverbindungen anstelle eines reinen Proporz-Systems war 
es möglich, die Zahl der CVP-Vertreter auf zwei zu reduzieren, siehe auch: Landtag des Saarlandes, 
Drucksachen, 3. Wahlperiode (im folgenden zitiert als LTDS, 3. WP), Abt. I, 28. Sitzung v. 4.1.57. 
i(I LASB StK Kabinettsregistratur, Anlage MW, Kabinettsvorlage Wirtschaftsministerium v. 20.11.56. 
Besonders diese Vorlage enthält eine lange Auflistung von Detailanalysen, die darauf schließen lassen, daß 
sie in enger Kooperation mit dem Statistischen Landesamt und wohl auch mit den Wirtschaftsvertretungen, 
v.a. wohl der IHK, erarbeitet worden sind. Publiziert wurde das Memorandum als Regierung des Saar¬ 
landes (Hg.), Memorandum der Regierung des Saarlandes an die Bundesregierung vom 13. November 
1957, Saarbrücken 1957. 
Die Bandbreite der Themen reichte von Analysen der möglichen Folgen des Saarvertrags über detailrei¬ 
che Darstellungen der künftigen Wettbewerbssituation bis hin zu detaillierten Feststellungen über In¬ 
vestitionsrückstände, Produktionsbedingungen und Absatzchancen der Industrie im Saarland. 
18 Zuletzt hierzu: Industrie- und Handelskammer des Saarlandes (Hg.), Forderungen der Saarwirtschaft zur 
Rückgliederung, Saarbrücken 1956, S. 16. Ähnliche Forderungen zur Ausdehnung der Schutzfrist wurden 
auch von der saarländischen Regierung vorgetragen, siehe: LASB StK 1714, Kabinettsprotokoll v. 
6.1 1.56, scheiterten aber bereits kurz darauf am Widerstand Bonns, siehe: LASB StK 1714, Kabinetts¬ 
protokoll v. 14.11.56. 
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