2 Die Lösung der Saarfrage zwischen Bonn und Saarbrücken
2.1 Wirtschaftspolitische Konzeptionen und Realitäten zwischen Volksabstim¬
mung und Eingliederungsgesetz
2.1.1 Vom Saarvertrag zum Eingliederungsgesetz
Nach dem Referendum vom 23. Oktober 1955 wurde sehr bald die Vorstellung
entwickelt, die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik analog zur Phase
nach der ersten Saarabstimmung des Jahres 1935 mit einer Übergangszeit abzu¬
wickeln. Der Begriff fand als Bezeichnung für den Zeitabschnitt zwischen der politi¬
schen Eingliederung am 1. Januar 1957 und der wirtschaftlichen Eingliederung, die
spätestens Ende des Jahres 1959 erfolgen sollte, auch Eingang in den Saarvertrag. De
facto wurde der Übergang jedoch bereits im Jahr 1956 eingeleitet, als umfangreiche
Sofortmaßnahmen wie z.B. der Bau der Autobahn Mannheim - Saarbrücken initiiert
wurden. Als politisches Konzept erhielt die Übergangszeit dadurch immer mehr
wirtschaftspolitische Elemente; sie wurde zum Instrument, das die Herauslösung des
Saarlandes aus der französisch-saarländischen Zoll- und Währungsunion unter
geordneten Bedingungen gewährleisten sollte.
Zur Analyse von Prinzipien und Wirkung dieses Instrumentes steht neben den Ver¬
trags- und Gesetzestexten mit den Veröffentlichungen des Statistischen Amts des
Saarlandes im ökonomischen Bereich eine als befriedigend zu bezeichnende Quellen¬
grundlage zur Verfügung, ln Fortführung seiner Funktion während der Zeit der
Teilautonomie publizierte das Amt bis 1961 in der Reihe der Saarländischen Bevöl-
kerungs- und Wirtschaftszahlen1 in Doppeljahrgängen zusammengefaßte, ausführlich
kommentierte Analysen der strukturellen und konjunkturellen Entwicklung des
Saarlandes. Ergänzend können die in der Reihe der Einzelschriften zur Statistik des
Saarlandes2 3 veröffentlichten Spezialanalysen, u.a. zum Außenhandel, zur Industrie
sowie zu Handel und Gewerbe im Saarland Verwendung finden. Hinzu kommt die
Industrieberichterstattung der Landesbank- und Girozentrale,' während die Periodika
der Kammern4 eine zeitnahe Perzeptionsanalyse der strukturellen Entwicklungen im
Saarland erlauben. Diese stark wirtschaftshistorisch ausgerichteten Quellen können
durch die Protokolle der Kabinettssitzungen der saarländischen Landesregierungen
sowie die stenographischen Berichte des saarländischen Landtags in den Kontext der
1 Statistisches Amt des Saarlandes (Hg.), [im folgenden Stat. Amt d. Saarl. (Hg.)] Saarländische Bevölke-
rungs-und Wirtschaftszahlen, Saarbrücken 1949-1960.
2 Stat. Amt d. Saarl. (Hg.), Einzelschritten zur Statistik des Saarlandes [im folgenden Einzels, z. Stat. d.
Saarl.], Saarbrücken 1949ff., sowie dass. (Hg.), Saarland in Zahlen. Sonderhefte [im folgenden SiZ,
Sonderh,], Saarbrücken 1957ff. Gerade bei den hier vorzufindenden qualitativen Analysen ist die Beach¬
tung des jeweiligen Erscheinungsjahres wichtig. Um eine Verwechselung der verschiedenen Reihen
auszuschließen, wurde im folgenden auf eine weitere Verkürzung der Zitierung verzichtet.
3 Landesbank und Girozentrale Saar (Hg.), Wirtschaftsberichte 1958fT., Saarbrücken 1958fT.
4 Ausgewertet wurden die Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes 12 (1956)fT. und
Die Arbeitskammer. Zeitschrift der Arbeitskammer des Saarlandes 4 (1956)ff.
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