Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970 (36)

Möglicherweise ist hierin ein Auseinanderdriften zwischen politischer Führung und 
Expertenebene innerhalb der Ministerien festzustellen, dem ein ebensolches Ausein¬ 
anderdriften der allgemein-politischen Aspekte der Saarverhandlungen einerseits und 
der konkreten Detailverhandlungen zwischen und innerhalb der Delegationen ande¬ 
rerseits entsprach: Während auf Expertenebene die saarländischen Ausschüsse - 
gestützt auch auf ihren Informationsvorsprung - in einen intensiven Dialog mit ihren 
Parallelgremien auf bundesdeutscher Seite eintraten, gelang es auf der Spitzenebene 
des Kabinetts kaum, die saarländische Position in den internationalen Verhandlungen 
zu stabilisieren. Außerdem konnte keine Strategie präzisiert werden, die als klare 
Leitlinie für die weitere Verhandlungsführung hätte dienen können. In der ersten 
Phase der politischen Lösung der Saarfrage entwickelte sich somit die Position der 
Saar-Regierung eher als Reaktion auf Einflüsse von außen. Die Kabinette sahen sich 
mit diplomatischen Vorfällen und politischen Forderungen konfrontiert, die un¬ 
mittelbare Reaktionen erforderlich machten, auf welche die Saarvertreter aber nicht 
ausreichend vorbereitet waren. Auf diese Weise wurde der Ansatz, die weitere 
Lösung aus dem politischen Mandat der Volksabstimmung zu entwickeln, von 
vornherein ausgeschaltet. 
1.2 Die „heiße Phase“ der Verhandlungen zwischen drohendem Scheitern und 
„glücklichem Ende“ 
1.2.1 Der zähe Verlauf der diplomatischen Verhandlungen und eine überraschende 
Wende 
Das Treffen zwischen Adenauer. Pineau und von Brentano am 3. März 1956, das den 
Auftakt zur nächsten Runde der Verhandlungen bildete, kann sehr unterschiedlich 
bewertet werden. s Von besonderer Bedeutung für die saarländische Seite war jeden¬ 
falls die hier klar gewordene Bereitschaft der deutschen Seite, die französische 
Forderung nach Bau des Moselkanals früher oder später zu akzeptieren. 9 Die Saar¬ 
länder lehnten dies zwar immer noch unter Hinweis auf die negativen Folgen für die 
Konkurrenzsituation der Saarwirtschaft ab, brachten jetzt aber ansatzweise Aus¬ 
gleichsforderungen vor. Genannt wurden „finanzielle Hilfsmaßnahmen“, die Forde¬ 
rung nach einer rein deutschen Verwaltung der Saarbergwerke, Maßnahmen zur 
Verbesserung der „Wirtschaftlichkeit der Saarbergwerke“ und eine sehr kurze Über¬ 
8 Freymond glaubt, daß hier eine weitgehende Annäherung der Standpunkte erreicht wurde und ins¬ 
besondere die Datierung der politischen Eingliederung erfolgt sei, Freymond, Saar, S. 199. Craddock 
dagegen sieht in dieser Zwischenrunde der Verhandlungen eher eine Art Schlichtungsphase, Craddock, 
Saar-Problem, S. 488. 
*' Lappenküper, Deutsch-französische Beziehungen, S. 1123. Auch Lappenküpers Darstellung zeigt - 
genauso wie die oben bereits zitierte Fülle an zeitgenössischen wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen 
Arbeiten zur Frage der Moselkanalisierung welche hohe ökonomische und politische Bedeutung dieses 
Thema in der Bundesrepublik hatte. Daher erscheint Lappenküpers an anderer Stelle vorgetragene 
Bewertung, dem Moselkanal sei „weniger aus wirtschaftlichen, denn aus psychologisch-politischen 
Erwägungen ... in der Bundesrepublik“ widersprochen worden, einigermaßen abwegig; siehe: ebd., 
S. 1101. ^ 
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